Detail

Auslegung des Begriffs des "gemeinsamen Todes" bei Versterben beider Ehegatten innerhalb eines längeren Zeitraums

|   Newsletter 02/2020

Auslegung des Begriffs des "gemeinsamen Todes" bei Versterben beider Ehegatten innerhalb eines längeren Zeitraums

Sachverhalt

Der Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet. Seine zweite Ehefrau war bereits am 08.03.2015 vor ihm verstorben.

Aus der ersten Ehe des Erblassers stammen der Beteiligte zu 2) und dessen Schwester. Aus der ersten Ehe der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers stammen die Beteiligten zu 1) und zu 3).

Mit gemeinschaftlichem handschriftlichem Testament vom 30.12.1988 errichteten der Erblasser und seine (zweite) Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament. Darin hieß es:

"Wir setzen uns hiermit gegenseitig als Erben unseres Nachlasses ein. Dass der überlebende alleiniger Erbe ist und frei verfügen kann,….

Bei einem gemeinsamen Tod setzen wir unsere Kinder als Erben ein..."

Der Beteiligte zu 2) beantragt die Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge, der ihn und seine Schwester als Erben zu je 1/2-Anteil ausweist.

Die Beteiligte zu 1) beantragte einen Erbschein, der den Beteiligten zu 2), dessen Schwester, sie selbst und ihren Bruder, den Beteiligten zu 3), als Erben zu je 1/4-Anteil ausweist.

Die Beteiligten zu 1) und zu 3) berufen sich unter Zeugenbeweis darauf, dass der Wille der Erblasser bei Abfassung des Testaments darauf gerichtet gewesen sei, alle vier Kinder nicht nur für den Fall eines gleichzeitigen Versterbens der Eheleute, sondern auch für den Fall des erst längere Zeit späteren Versterbens des überlebenden Ehegatten als Schlusserben einzusetzen

Das Amtsgericht als Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen mit der Begründung, das Testament enthalte eine Einsetzung der vier Kinder als Schlusserben nur für den Fall des gemeinsamen Todes, womit nur Fälle des Versterbens in kurzem zeitlichen Abstand erfasst seien oder solche, in denen der länger lebende Ehegatte praktisch keine Zeit mehr habe, neu zu testieren. Nur wenn besondere Umstände vorliegen würden, aus denen sich ein weiter gehender Wille der testierenden Ehegatten ergebe und die zumindest andeutungsweise im Testament ihren Niederschlag gefunden hätten, sei eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung möglich. Dies sei hier nicht der Fall.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde. Dabei macht sie weiterhin unter Beweisantritt geltend, es sei der gemeinsame Wille der Eheleute gewesen, alle Kinder als Schlusserben einzusetzen, und sie seien davon ausgegangen, dies mit dem Testament getan zu haben.

Entscheidungsgründe des OLG Brandenburg

Die Beschwerde hat Erfolg. Der Senat kommt nach Durchführung der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass das Testament dahingehend auszulegen ist, dass die Erblasser ihre vier Kinder als Schlusserben des Letztversterbenden auch für den Fall eingesetzt haben, dass beide Ehepartner in längerem Abstand voneinander versterben

Das Testament vom 30.12.1988 enthält keine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung, sondern über die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute hinaus lediglich eine Erbeinsetzung für den Fall des gemeinsamen Todes der Eheleute. Für die Frage, ob die Eheleute mit dieser letztwilligen Verfügung auch eine Regelung für den Fall treffen wollten, dass sie im zeitlichen Abstand versterben, ist das Testament daher auslegungsbedürftig.

Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen sind der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde und darüber hinaus alle Nebenumstände heranzuziehen und zu würdigen , und zwar auch solche außerhalb des Testaments. Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testaments liegen. Dazu gehören das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen, sofern sich für einen entsprechenden Willen des Erblassers mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB – wenn auch nur andeutungsweise – Anhaltspunkte finden lassen.

Der Senat legt unter Berücksichtigung des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme das Testament dahin aus, dass die Ehegatten mit der von ihnen gewählten Formulierung die vier Kinder als Schlusserben nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten einsetzen wollten, und zwar nicht nur für den Fall des gleichzeitigen oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zueinander stehenden Versterbens, sondern auch für den Fall, dass der länger lebende Ehegatte den anderen um mehrere Jahre überleben würde. Dies ergibt sich aus den von den Zeugen geschilderten Gesprächen, die sie mit beiden Erblassern geführt haben (wird näher ausgeführt).

Der Senat ist der Ansicht, dass die hier gewählte Formulierung "bei einem gemeinsamen Tod" auch im Hinblick auf das Formerfordernis des § 2247 BGB eine hinreichende Andeutung im Testamentstext darstellt, die eine Auslegung zulässt, nach der die Ehegatten eine Schlusserbenregelung auch für den Fall getroffen haben, dass sie in zeitlich größerem Abstand voneinander versterben. Die Andeutung liegt bereits in der gewählten Formulierung selbst, in der gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben, sondern auf den gemeinsamen Tod abgestellt wird. Der Begriff "gleichzeitig", der schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen eindeutigen zeitlichen Bezug aufweist und auf ein Versterben in einem engen zeitlichen Zusammenhang hinweist, ist gerade nicht verwendet worden. Der Begriff "gemeinsamer Tod" ist dagegen nicht notwendig zeitlich zu verstehen. Die hier verwendete Formulierung kann daher auch so gemeint sein, dass damit der Zeitpunkt benannt sein soll, in dem beide Eheleute "gemeinsam" tot sind, also im Sinne von "wenn wir beide tot sind" zu verstehen sein, und für diesen Fall die Einsetzung der vier Kinder als Schlusserben des Letztversterbenden erfolgen sollte.

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG Brandenburg macht deutlich, welche Schwierigkeiten sich für die Feststellung des Willens der Erblasser ergeben können, wenn Ehegatten ohne qualifizierte juristische Beratung in ihrem gemeinschaftlichen Testament Formulierungen wie "wenn wir gleichzeitig versterben" oder "im Falle unseres gleichzeitigen Todes" oder – wie hier – „bei einem gemeinsamen Tod" verwenden. Solche Formulierungen werfen mehr Fragen auf als sie beantworten. Sie sollten daher möglichst vermieden werden. Zumindest aber sollte, falls derartige Formulierungen verwendet werden, dazu im gemeinschaftlichen Testament eine Erläuterung hinzugefügt werden, was damit konkret gemeint sein soll. Stets sollte jedoch eine qualifizierte juristische Beratung bei einem Fachanwalt für Erbrecht oder auch einem Notar gesucht werden. 

Zurück