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Einstweilige Verfügung auf Versicherungsleistung bei Betriebsunterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie

|   Newsletter 02/2020

(Landgericht Mannheim, Urteil vom 29.04.2020 - Az. 11 U 66/20 -)

Als eines der ersten Gerichte hatte sich das Landgericht Mannheim mit Fragen im Zusammenhang von Versicherungsleistungen anlässlich der Corona-Pandemie zu befassen.

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt drei Hotels in Berlin und Hamburg.

Nach den mit der Beklagten vereinbarten Versicherungsbedingungen leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

Versicherungswert in der vorliegenden Betriebsunterbrechungsversicherung ist der Betriebsgewinn sowie die Kosten, die der Versicherungsnehmer ohne Unterbrechung des Betriebes in dem Bewertungszeitraum (12 Monate) erwirtschaftet hätte.

Aufgrund einer Allgemeinverfügung bzw. einer Eindämmungsmaßnahmenverordnung durfte die Klägerin Übernachtungsangebote im Beherbergungsgewerbe nicht für touristische Zwecke bereitstellen.

Sie begehrten nunmehr im Wege der einstweiligen Verfügung Zahlung.

Das Landgericht Mannheim hat die einstweilige Verfügung zurückgewiesen.

Dabei hat das Gericht zunächst einen Anspruch der Klägerin auf eine Versicherungsleistung bejaht. Insbesondere wurde eine bedingungsgemäße faktische Betriebsschließung angenommen.

Das Gericht sieht nach Auslegung der Versicherungsbedingungen das SARS-Coronavirus als meldepflichtigen Krankheitserreger bzw. die dadurch ausgelösten Erkrankungen als meldepflichtige Krankheiten an.

Es sei dabei nicht nur auf die Krankheiten bzw. Krankheitserreger abzustellen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses namentlich im Infektionsschutzgesetz aufgeführt waren (sogenannte statische Verweisung), sondern vielmehr müssen auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen unter diese Vorschrift fallende meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfasst sein (sogenannte dynamische Verweisung). Dies gelte auch dann, wenn zwar keine Änderung des Katalogs der §§ 6, 7 Infektionsschutzgesetz vorgenommen, sondern lediglich im Wege einer Rechtsverordnung der Katalog erweitert wurde.

Allerdings weist das Gericht darauf hin, dass dies auch wohl anders zu sehen wäre, wenn in den Versicherungsbedingungen selbst ein Katalog an Erregern aufgenommen worden wäre.

Für den Versicherungsnehmer positiv ist das Gericht von einer faktischen Betriebsschließung ausgegangen, auch wenn die Allgemeinverfügung bzw. die Rechtsverordnung nur touristische Übernachtungen untersage. Die entsprechende Beschränkung wirke sich für den Hotelbetrieb wie eine faktische Schließung aus.

Problematisch für den vorliegenden Fall war jedoch die Berechnung der Höhe der Versicherungsleistung. Hier ging das Gericht von einem zu wenig substantiierten Sachvortrag der Klägerin aus. In zahlreichen anderen Versicherungsbedingungen wird jedoch nicht auf den konkreten Gewinnrückgang abgestellt, sondern auf Tagespauschalen. In diesen Fällen hätte der Versicherungsnehmer das im vorliegenden Fall mitentscheidende Darstellungsproblem nicht.

Ein weiteres Hauptproblem im vorliegenden Verfahren lag jedoch in Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Bei einer Leistungsverfügung ist ein Verfügungsgrund aufgrund der dadurch eingetreten Vorwegnahme der Hauptsache nur in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen anzunehmen. Voraussetzung ist demnach eine existenzielle Notlage, die die erstrebte Zahlung so dringlich macht, dass nicht bis zum Ende eines vollstreckbaren Urteils in der Hauptsache gewartet werden kann.

Das Gericht hat dabei offengelassen, ob die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH eine derartige existenzielle, zur Zulässigkeit einer Leistungsklage Notlage begründen kann. Diese Frage ist umstritten.

Selbst wenn man diese Frage bejaht, kann die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH dem Grunde nach den Erlass einer Leistungsverfügung nur in der Höhe rechtfertigen, die momentan notwendig ist, um die behauptete existenzielle Notlage der Klägerin abwenden zu können. Eine derartige Darlegung wird dem Versicherungsnehmer kaum möglich sein, insbesondere im Hinblick darauf, dass völlig unklar ist, wie lange die Beeinträchtigung noch dauert und welche sonstigen Hilfsmaßnahmen greifen. Bei der Interessenabwägung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass wie in den meisten anderen Versicherungsbedingungen nur ein Zeitraum von 30 Tagen zu überbrücken ist. Zwar sei der Wunsch nach schneller Bereitstellung finanzieller Mitteln gerade für das Hotelgewerbe grundsätzlich verständlich. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass die einstweilige Verfügung geeignet ist, die durch die Pandemie begründete Notlage der Klägerin zu beseitigen.

Zusammenfassung:

Das Gericht gibt einerseits Versicherungsnehmern Anlass zur Hoffnung, je nach Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz im Zusammenhang mit einer Betriebsschließung durch die Corona-Maßnahmen zu erhalten. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der Themen "dynamische Verweisung" und "faktische Betriebsschließung".

Verallgemeinern lassen sich die Ausführungen jedoch nicht. Stets ist eine Auslegung am konkreten Versicherungsvertrag vorzunehmen.

Das Gericht zeigt darüber hinaus sehr klar die hohen Hürden auf, die eine einstweilige Verfügung mit sich bringt. Ein einstweiliges Verfügungsverfahren dürfte dem notleidenden Versicherungsnehmer aufgrund der hohen Darlegungslast nur in absoluten Ausnahmefällen einen kurzfristigen Liquiditätsschub ermöglichen.

 

Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Patrik Eckstein, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Bank- und Kapitalmarktrecht, gerne zur Verfügung.

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