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Nottestament: Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit von drei Zeugen trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen

|   Erbrecht

(OLG Düsseldorf, Beschl. vom 06.01.2022 – AZ: I-3 Wx 216/21 – ZErb 2022, 186-187)

Leitsatz

Trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen ist ein Nottestament nur dann wirksam, wenn während des gesamten Errichtungsakts gleichzeitig drei Zeugen anwesend sind, § 2250 Abs. 1 BGB.

Sachverhalt

Die §§ 2249 und 2250 BGB bestimmen, dass in besonderen Ausnahmesituationen ein Testament abweichend von der in § 2231 geregelten "ordentlichen Form" (zur Niederschrift eines Notars oder durch ein eigenhändiges Schriftstück) errichtet werden kann. Nach § 2249 Abs. 1 BGB kann das Testament zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der sich der Testierende aufhält, errichtet werden, wenn zu besorgen ist, dass der Testierende früher sterben werde, als die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist.

Nach § 2250 Abs. 1 BGB kann derjenige, der sich an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, ein Testament entweder in der durch § 2249 bestimmten Form oder durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Nach Abs. 2 derselben Vorschrift ist die Errichtung des Testaments durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen auch dann möglich, wenn sich der Testierende in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Testaments nach § 2249 BGB nicht mehr möglich ist.

Im konkreten Fall hatte der Erblasser mit einem handschriftlichen Testament vom Oktober 2019 die Beteiligten zu 1) bis 3) zu jeweils gleichen Anteilen zu seinen Erben bestimmt. Mit weiterem Testament vom 06.03.2021, das als Nottestament überschrieben war und von der Beteiligten zu 3) geschrieben und vom Erblasser sowie von drei Zeugen unterschrieben war, setzte der Erblasser die Beteiligte zu 3) zu seiner Alleinerbin ein.

Der Beteiligte zu 1) hat unter Berufung auf das Testament vom Oktober 2019 einen Erbschein beantragt, der ihn selbst und die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweisen sollte. Dem ist die Beteiligte zu 3) unter Berufung auf das Testament vom 06.03.2021 entgegengetreten.

Sie hat vorgetragen, es handele sich um ein wirksames Nottestament. Denn am 06.03.2021, einem Wochenendtag, habe der Erblasser aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung befürchtet, alsbald in einen Zustand zu verfallen, in dem er nicht mehr in der Lage sein würde, ein Testament zu errichten, und in der Folge zu versterben. Ein Notar sei nicht erreichbar gewesen. Auf Wunsch des Erblassers sei am 06.03.2021 dann die Behandlung mit Schmerzmitteln ausgesetzt worden, um in der Lage zu sein, seinen letzten Willen wirksam zu äußern.

Das Amtsgericht hat die Ansicht vertreten, das Nottestament sei nicht wirksam. Denn die mitunterzeichnenden Zeugen seien nicht gleichzeitig anwesend gewesen. Sie hätten vielmehr die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterschrieben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3). Sie ist der Ansicht, schon der Gesetzeswortlaut von § 2250 BGB verlange nicht die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen. Außerdem hätten wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht gleichzeitig drei Personen den Erblasser im Krankenhaus besuchen dürfen.

Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) ist unbegründet.

Mit Recht hat das Amtsgericht festgestellt, dass das als Nottestament am 06.03.2021 errichtete Testament unwirksam ist. Denn es entspricht der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass § 2250 BGB die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten Errichtungsakts verlangt. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen abzuweichen, besteht nicht.

Nach dem Wortlaut von § 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich bei den Vorschriften über den Errichtungsakt um zwingende Vorschriften. Zwingende Vorschriften sind schon grundsätzlich nicht ausnahmefähig. Das gilt auch für § 2250 BGB, der seinerseits schon eine Ausnahmevorschrift ist und abweichend von den ihrerseits bereits strengen Formvorschriften der §§ 2231, 2247 BGB und der weiteren Ausnahmevorschrift des § 2249 BGB die Zulässigkeit eines Nottestaments regelt. Die Bedeutung von § 2250 BGB und die dort normierte Errichtung vor drei Zeugen liegt darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Wiedergabe der Erklärungen des Erblassers dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur Geltung gebracht werden soll. Welche Anforderungen aber erfüllt sein müssen, damit die - statt vor einem Notar oder einem Bürgermeister - vor Laien niedergelegten Erklärungen des Erblassers als rechtsverbindliche Wiedergabe seines in naher Todesgefahr geäußerten Willens gewertet werden können, steht nicht im Ermessen des Gerichts, sondern ist im Einzelnen gesetzlich vorgeschrieben.

Entscheidend aber ist, dass es sich bei der durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen eingetretenen Situation nicht um eine neue, vom Gesetzgeber nicht bereits in abstrakter Hinsicht bedachte Lage handelt. Vielmehr handelt es sich um eine Situation der Absperrung i. S. v. § 2250 Abs. 1 BGB. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Fall geregelt, dass sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände derart abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Die Absperrung kann verschiedene Ursachen haben; neben Naturereignissen wird beispielsweise auch die Situation einer Quarantäne infolge von Seuchen und ansteckenden Krankheiten in der einschlägigen Kommentarliteratur unter § 2250 Abs. 1 BGB subsumiert. Dass die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen für Patienten in Krankenhäusern zu einer Situation führen, die einer Quarantäne vergleichbar ist, nämlich die Isolation von anderen Personen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nach den vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen muss aber auch das Absperrungstestament als Dreizeugentestament errichtet werden und ein Verstoß hiergegen führt zur Nichtigkeit des Testaments.

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