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Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten

|   Erbrecht

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2021 – AZ: I-3 Wx 193/20 – ErbR 2021, 793-795)

Leitsatz

Setzen Eheleute einander gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zu alleinigen Erben und "im Falle eines gemeinsamen Ablebens" die namentlich bezeichneten Nichten der Ehefrau als Erben ein, so kann der in letzterer Bestimmung zum Ausdruck gebrachte Erblasserwille im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung ausgelegt werden.

Sachverhalt

Die Ehefrau des Erblassers ist im Juni 2010 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind ihre Nichten. Die Beteiligten zu 3) bis 13) sind Verwandte des Erblassers.

Im März 2007 errichteten der Erblasser und seine Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut:

Wir, die Eheleute…. setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden zum alleinigen Erben ein

Im Falle eines gemeinsamen Ablebens setzen wir als Erben ein:

60 % des Gesamtwertes: B.….

40 % des Gesamtwertes: K.…

Düsseldorf, den 26.03.2007

(Unterschriften des Erblassers und seiner Ehefrau)

Die beiden Nichten der vorverstorbenen Ehefrau (Beteiligte zu 1 und 2) haben die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie zu 60 % bzw. zu 40 % als Erben des zuletzt verstorbenen Ehemannes ausweisen sollte. Das Amtsgericht als zuständiges Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, eine Einsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) als Schlusserben sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Zwar hätten der Erblasser und seine Ehefrau zu den Beteiligten zu 1) und 2) eine enge familiäre und herzliche Verbindung gepflegt und der Erblasser habe der Beteiligten zu 1) als Ausdruck des Vertrauensverhältnisses eine Kontovollmacht erteilt. Indessen habe er auch der Zeugin B. eine Vollmacht erteilt, ohne sie als Erbin einzusetzen. Soweit zwei andere Zeugen bekundet hätten, der Erblasser und seine Ehefrau hätten im Jahre 2010 erklärt, alles geregelt zu haben, sei dem kein besonderer Beweiswert zuzumessen. Denn es existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Erblasser immer die Wahrheit darüber sagen, wie testiert worden sei.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2). Sie machen geltend, das im Testament genannte "gemeinsame Ableben" sei nicht im Sinne eines engen zeitlichen Zusammenhangs zu verstehen, sondern könne auch auf den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des Letztversterbenden hindeuten.

Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Die Beschwerde hat Erfolg. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind aufgrund des Testaments vom 26.03.2007 Schlusserben geworden.

Nach dem Wortlaut des Testaments gilt die Erbeinsetzung "im Falle eines gemeinsamen Ablebens" der Eheleute. Im Hinblick auf die Frage, ob diese Formulierung auch den hier gegebenen Fall erfasst, dass die Eheleute in größerem zeitlichem Abstand versterben, ist das Testament auslegungsbedürftig.

Formulierungen, die auf ein "gleichzeitiges" Versterben abstellen, erfassen zunächst Fallkonstellationen, in denen Eheleute zeitgleich, also etwa aufgrund eines Unfalls, versterben. Darüber hinaus sollen auch Fälle erfasst sein, in denen der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist. Eine andere Auslegung für den Fall, dass die Testierenden tatsächlich eine Schlusserbeneinsetzung gewünscht haben, bedarf im Hinblick auf die Formvorschrift des § 2247 BGB zumindest einer Andeutung im Testament. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommt in der Formulierung "für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens" der Wille der Testierenden hinsichtlich einer Schlusserbeneinsetzung auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck.

Demgegenüber erscheinen Formulierungen, die auf das beiderseitige Versterben abstellen, im Allgemeinen als zeitlich neutral. Sie können unter Würdigung des gesamten Testamentsinhalts sowie der Beweggründe und Begleitumstände so auszulegen sein, dass sie auch das Versterben beider Eheleute ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand erfassen. Gleiches hat im Hinblick auf die hier gewählte Formulierung "im Falle eines gemeinsamen Ablebens" zu gelten. Denn diese Formulierung stellt gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben ab, sondern kann ebenso gut im Sinne von "wenn wir beide verstorben sind" verstanden werden. Anders als das Adjektiv "gleichzeitig" enthält "gemeinsam" keine zeitliche Komponente. Gemeint sein kann daher auch der "gemeinsame" Zustand nach dem Versterben beider Ehegatten.

Anders als das Nachlassgericht geht der Senat auch davon aus, dass die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme hinreichende Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) gewollt war. Mehrere Zeugen haben Äußerungen der Erblasser bekundet, sie hätten alles geregelt. Ein Zeuge hat ausgesagt, der Erblasser und seine Ehefrau hätten die Beteiligten zu 1) und 2) als Ersatzkinder betrachtet, weil sie selbst kinderlos geblieben seien. Aufgrund dieser Aussagen ist der Senat mit hinreichender Sicherheit von dem Willen des Erblassers und seiner Ehefrau überzeugt, die Beteiligten zu 1) und 2) zu Schlusserben einsetzen zu wollen.

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf reiht sich in die lange Liste von Gerichtsentscheidungen ein, die deutlich machen, wie wichtig es ist, in einem Testament durch präzise Formulierungen klar zum Ausdruck zu bringen, was genau gewollt ist. Wird wegen nicht eindeutigen Formulierungen eine Auslegung des Testaments erforderlich, besteht das Risiko, dass das Ergebnis der Auslegung nicht mit dem wirklichen Willen des Erblassers übereinstimmt.

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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