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Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Erbschaftsannahme

|   Erbrecht

(OLG München, Beschl. vom 22.12.2021 – AZ: 31 Wx 488/19 – ErbR 2022, 416-417 -)

Leitsatz

Eine Annahme der Erbschaft muss nicht zwingend darin liegen, dass ein in Frage kommender gesetzlicher Erbe das Formular einer Sparkasse "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" unterzeichnet.

Sachverhalt

Der Erblasser war in einziger kinderloser Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 1). Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Eltern des Erblassers. Diese unterzeichneten am 04.07.2018 ein mit "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" überschriebenes Formular der Sparkasse. Am 23.08.2018 schlugen sie zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus.

Am 12.12.2018 beantragte die Beteiligte zu 1) einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie selbst als Erbin des Erblassers zu 3/4-Anteil  und die Beteiligten zu 2) und 3) als dessen Erben zu jeweils 1/8-Anteil ausweisen sollte. Unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des Nachlassgerichts betreffend das Sparkassenformular vertrat sie zur Begründung die Auffassung, dass die Beteiligten zu 2) und 3) mit der Unterzeichnung des Formulars die Erbschaft bereits angenommen hätten.

Mit Schreiben vom 12.12.2018 erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Zur Begründung hieß es, die Unterschrift auf dem Formular sei deswegen erfolgt, weil sie andernfalls von der Sparkasse keine Auskunft über die Konten ihres Sohnes erhalten hätten. Insofern hätten sie sich in einem Rechtsfolgenirrtum befunden.

Das Nachlassgericht hat die Ansicht vertreten, der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung des Erbscheins sei begründet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3. 

Entscheidungsgründe des OLG München

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Erbscheins liegen nicht vor. Da die Beteiligten zu 2) und 3) die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen haben, sind sie nicht gesetzliche Erben nach dem Erblasser geworden.

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war deren Ausschlagungsrecht nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Erbschaft bereits durch die Unterzeichnung der "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" vom 04.07.2018 i. S. d. § 1943 BGB angenommen hätten.

Die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten setzt eine nach außen erkennbare Handlung des Erben voraus, aus der unter Berücksichtigung aller Umstände der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden.

Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte, zumal auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht. Demgemäß bringen Maßnahmen, die zur Sicherung oder Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, keine Annahme der Erbschaft zum Ausdruck, wenn es darum geht, die nötigen Informationen für die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung zu erhalten.

Nach diesen Grundsätzen liegt in der Unterzeichnung der von der Sparkasse vorgelegten "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" durch die Beteiligten zu 2) und 3) keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft im Sinne des § 1943 BGB.

 

Die "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" dient der Haftungsfreistellung der Bank oder Sparkasse für den Fall, dass etwaige Auszahlungen an die Unterzeichnenden ohne Vorlage eines Erbscheins sich im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen, wenn diese tatsächlich nicht Erben des Erblassers sind. Dieses Formular dient somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank bzw. Sparkasse und begründet einen Haftungszugriff zu Lasten der Unterzeichnenden.

Zwar heißt es in dem Formular:

"Ich versichere/wir versichern hiermit ausdrücklich, dass ich/wir der/die alleinigen Erbe(n) des Erblassers bin/sind und dass Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegschaft oder Nachlasskonkurs nicht angeordnet ist.…"

Daraus ist aber allein noch nicht der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Unterschrift endgültig die Rechtsnachfolge des Erblassers in wirtschaftlicher Hinsicht antreten wollten. Denn im Anschluss an den standardisierten Text findet sich folgender Zusatz, der sich im Hinblick auf die Schriftgröße und den Inhalt als eine in das Formular gesondert eingefügte Individualabrede darstellt

Derzeit ist keine Übertragung gewünscht, diese erfolgt nach Vorlage des Erbscheins. Lediglich das Girokonto Nr… wird wieder für den Zahlungsverkehr freigeschaltet. Aufträge sind beleghaft mit allen drei Unterschriften (s. u.) im Original einzureichen."

Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Beschwerdeführer gerade nicht auf das Vermögen des Erblassers an dessen Stelle uneingeschränkt zugreifen wollten. Sie haben vielmehr ausdrücklich von einer Übertragung der Konten zu ihren Gunsten Abstand genommen. Der Inhalt ihrer Erklärung beschränkt sich allein auf die Freischaltung des Girokontos für den Zahlungsverkehr. Eine solche Maßnahme dient bei objektiver Betrachtungsweise allein der Verwaltung des Nachlasses, die auch den nur vorläufigen Erben zusteht.

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Justizrat Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

 

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