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Zulässigkeit der Videoüberwachung von Verkaufsräumen

|   Newsletter 01/2018

(Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 14.12.2017 – AZ: 2 A 662/27 –, juris)

Der Kläger ist Betreiber einer Apotheke und beschäftigte zum Zeitpunkt der Entscheidung 27 Mitarbeiter. In den Verkaufsräumen installierte der Kläger drei Videoüberwachungskameras und in den nicht öffentlich zugänglichen Bereichen mindestens zwei Videoüberwachungskameras. Als Grund für die Installation der Videoüberwachungskameras, auf die – in Bezug auf den Verkaufsraum – an beiden Eingangstüren hingewiesen wurden und – in Bezug auf die nicht öffentlich zugänglichen Bereiche – in deren Aufstellung sämtliche Mitarbeiter eingewilligt haben, gab der Kläger Differenzen im Lagerbestand der Apotheke an, die durch Diebstähle durch Kunden bzw. Mitarbeiter verursacht worden sein könnten. Nach Installation der Videoüberwachungskameras ist kein größerer Schwund mehr zu verzeichnen gewesen.

Der Beklagte als zuständige Aufsichtsbehörde gab dem Kläger nach erfolgter Anhörung und unter Zwangsgeldandrohung auf, während der Öffnungszeiten der Apotheke die Videoüberwachung im Verkaufsraum (Anordnung Nr. 1) und an dem Betäubungsmittelschrank (Anordnung Nr. 2) einzustellen. Auf die Klage des Klägers hob das erstinstanzliche VG den Bescheid des Beklagten in Bezug auf die Anordnung Nr. 2 auf und wies die Klage im Übrigen, d.h. in Bezug auf die Anordnung Nr. 1 ab. Auf die Berufung des Klägers hob das OVG den Bescheid des Beklagten auch hinsichtlich der Anordnung Nr. 1 auf und wies die Berufung des Beklagten vollumfänglich zurück.
Von Interesse sind insbesondere die Ausführungen des OVG zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Bereichen einerseits und nicht öffentlich zugänglichen Bereichen andererseits.

(1) Nach Ansicht des OVG ist der Einsatz der Videoüberwachungskameras im öffentlich zugänglichenVerkaufsraum durch § 6b Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BDSG gerechtfertigt.

Die streitgegenständliche Videoüberwachung ist ein Fall der Wahrnehmung des Hausrechts i.S.d. § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG. Hierzu ist der Inhaber des Hausrechts befugt, „die zum Schutz des Objekts und zur Abwehr unbefugten Betretens erforderlichen Maßnahmen zu treffen“, wozu „auch die Beweissicherung mittels Videoüberwachung zum Schutz des Eigentums“ zählt. Zugleich dient die Videoüberwachung des Verkaufsraums der Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.v. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG, da das Interesse des Klägers „objektiv begründbar“ ist und sich „aus einer konkreten Gefahrenlage heraus“ – der einer leichten Entwendbarkeit der im Verkaufsraum befindlichen Produkte –ergibt. Insoweit ist die Videoüberwachung auch erforderlich, da sie für den Zweck – Abschreckung potenzieller Täter von der Begehung von Diebstählen – geeignet ist und mildere, gleich wirksame Mittel zur Zweckerreichung nicht erkennbar sind.

Ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen i.S.d. § 6b Abs. 1 BDSG hat das OVG nicht angenommen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der in Frage stehenden (Grund-)Rechtspositionen – hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz von personenbezogenen Daten einerseits und das Eigentumsrecht andererseits – kommt das OVG zu dem Ergebnis, dass „die Intensität des Eingriffs in die Rechte von erfassten Kunden […] im Einzelfall nicht als hoch anzusehen [ist]“.
 
Zur Begründung stellt das OVG zum einen darauf ab, „dass der Kläger die Kennzeichnungspflicht gemäß § 6b Abs. 2 BDSGbeachtet und an der Eingangstür seiner Apotheke auf die Videoüberwachung hinweist, diese also nicht heimlich stattfinde“ und die Kunden sich der Videoüberwachung entziehen konnten. Zum anderen führt das OVG aus,

bei Besuchen öffentlich zugänglicher Geschäfte ist (nur) eine Betroffenheit der Sozialsphäre gegeben“.

 Auch der Eingriff in die Rechte der Beschäftigten ist allenfalls geringfügig.

2) Die Videoüberwachung des Betäubungsmittelschranks ist gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG – und auch auf Grund der wirksamen Einwilligung der Mitarbeiter – zulässig.

Mit Blick auf die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt das OVG heraus, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung zum Zwecke der Durchführung von Beschäftigungsverhältnissen erfolgt. „Für die Durchführung von Beschäftigungsverhältnissen kommen Maßnahmen zur Kontrolle, ob der Arbeitnehmer den geschuldeten Pflichten nachkommt, in Betracht“, wozu nach Ansicht des OVG auf die Videoüberwachung zählt.

Im Folgenden bejaht das Gericht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
 
TIPP: Diese Entscheidung macht deutlich, dass eine Videoüberwachung sowohl von Verkaufsräumen als auch von nicht öffentlich zugänglichen Bereichen zulässig sein kann. Allerdings ist die Zulässigkeit einer Videoüberwachung an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft, insbesondere wenn Arbeitnehmer von der Videoüberwachung erfasst werden sollen.

Ab dem 25. Mai 2018 gelten dieDatenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)und das neugefasst Bundesdatenschutzgesetz (BDSG n.F.). Für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume gelten dann Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DS-GVO und § 4BDSG n.F., für den Arbeitnehmerdatenschutz Art. 88 DS-GVO und § 26 BDSG n.F. Zwar entspricht § 4 BDSG n.F. inhaltlich § 6b BDSG, allerdings ist bislang nicht geklärt, ob § 4 BDSG n.F. auch für nicht-öffentliche Stellen wie Unternehmer und Unternehmen gilt. Angesichts dessen wird erst die zukünftige Entwicklung, insbesondere in der Rechtsprechung, zeigen, ob die in der zitierten Entscheidung aufgestellten Grundsätze zu § 6b BDSG auch unter der Geltung des neuen Rechts anwendbar sind. Für den Arbeitnehmerdatenschutz und die in Bezug auf die aufgestellten Grundsätze zu § 32 BDSG dürfte dies aber der Fall sein.

Angesichts der komplexen datenschutzrechtlichen Bestimmungen empfiehlt es sich, bereits vor der Einführung einer Videoüberwachung fachkundigen Rat einzuholen. Gleiches gilt auch bei Fragen im Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Videoüberwachung. Sprechen Sie uns gerne an.
 
Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Patrick Steinhausen, LL.M., gerne zur Verfügung.

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