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Zulässigkeit des Ausschlusses des Ausgleichungsanspruchs eines Abkömmlings durch Testament des Erblassers

|   Erbrecht

(BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – AZ: IV ZR 269/20 – FamRZ 2021, 1068-1071)

Orientierungssatz

  1. § 2057a BGB, den § 2316 Abs. 1 BGB in das Pflichtteilsrecht überträgt, begründet kein Recht des besondere Leistungen (hier: Pflegeleistungen) erbringenden Abkömmlings am Nachlass oder einen Anspruch gegenüber dem Erblasser, in das oder den dieser nicht eingreifen dürfte.
  2. § 2057a BGB geht von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung ist aber kein Raum, wenn sich der Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen eindeutig geäußert und das Erbe nicht der gesetzlichen Erbfolge entsprechend aufgeteilt hat.
  3. Auch ohne die ausdrückliche Bezeichnung des Ausgleichungsanspruchs und ohne dessen ausdrücklichen Ausschluss im Testament kann die Testamentsauslegung ergeben, dass der Erblasser einen Ausgleichungsanspruch des Abkömmlings für seine erbrachten Leistungen ausschließen wollte.

Sachverhalt

Nach § 2316 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Pflichtteil eines Abkömmlings, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Fall der gesetzlichen Erbfolge Leistungen der in § 2057a bezeichneten Art zur Ausgleichung zu bringen wären, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht bei der Teilung entfallen würde.

Nach § 2057a BGB kann ein Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, bei der Auseinandersetzung des Erbes eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen.

Um diese beiden gesetzlichen Vorschriften drehte sich im konkreten Fall der Rechtsstreit. Der Kläger (K) und der Beklagte (B) sind zwei der drei Kinder der im Jahre 2017 verwitwet verstorbenen Mutter (Erblasserin). Diese hatte in einem notariellen Testament den Beklagten als Alleinerben eingesetzt und ergänzend ausgeführt:

"Zur Begründung weise ich darauf hin, dass mein Sohn [B] seit dem Jahr 2007 meine Pflege und Betreuung übernommen hat... Ich bin seit spätestens Oktober 2007 pflegebedürftig und bedarf der häuslichen Pflege. Diese Pflege wird ausschließlich allein von meinem Sohn [B] durchgeführt.… Er verwaltet darüber hinaus auch das Mehrfamilienhaus und kümmert sich allein um die Grabpflege des Grabes meines verstorbenen Ehemannes. Aus den vorgenannten Gründen sollen die beiden anderen Kinder lediglich ihren Pflichtteil erhalten, wobei ich darauf hinweise, dass mein Sohn [K] zur Anrechnung auf den Pflichtteil bereits 10.000,00 € am 18.11.2010 erhalten hat..."

Der Wert des Nachlasses belief sich nach Abzug von Verbindlichkeiten auf 337.249,29 €. Der Pflichtteilsanspruch des Klägers belief sich auf 1/6 hiervon, mithin auf 56.208,21 €. Hierauf  hatte der Beklagte 14.541,55 € gezahlt und eine weitere Zahlung unter Hinweis auf einen ihm wegen der von ihm erbrachten Pflegeleistungen zustehenden Ausgleichungsanspruch aus § 2057a BGB abgelehnt.

Mit seiner Klage forderte der Kläger weitere 41.666,66 €. Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 31.666,66 € statt, wobei es von der Forderung des Klägers die 10.000,00 € in Abzug brachte, die dieser bereits im Jahre 2010 unter Anrechnung auf den Pflichtteil erhalten hatte.

Die Berufung des Beklagten gegen diese Entscheidung wurde vom OLG Hamm als unbegründet zurückgewiesen. In seiner Begründung schloss sich das Berufungsgericht der Auffassung der ersten Instanz an, die dahin lautete, dass die Erblasserin die grundsätzlich wegen der erbrachten Pflegeleistungen zugunsten des Beklagten bestehende Ausgleichungspflicht der beiden Geschwister in ihrem notariellen Testament ausgeschlossen habe. Aus diesem Testament lasse sich der Wille der Erblasserin entnehmen, dass die Ausgleichung vom Beklagten erbrachter Pflegeleistungen von ihr nicht gewollt gewesen sei, auch wenn sie dies in ihrem Testament nicht ausdrücklich angeordnet habe. Für diesen Willen der Erblasserin spreche vor allem die Begründung der Einsetzung des Beklagten als ihren Alleinerben.

Die gegen diese Entscheidung vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte nach dem Beschluss des BGH keine Aussicht auf Erfolg , sodass der BGH beabsichtigte, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofs

Wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.09.2009 ergebe (BT-Drucksache 16/8954,18), gehen die §§ 2050 ff. und § 2057a BGB von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung bestehe aber kein Raum, wenn sich der Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen (Testament) eindeutig geäußert und das Erbe nicht der gesetzlichen Erbfolge entsprechend aufgeteilt habe. Nichts anderes gelte auch, soweit § 2316 Abs. 1 BGB für die Berechnung des Pflichtteils auf                  § 2057 a BGB verweise.

Das Berufungsgericht habe durch Auslegung des Testaments der Erblasserin zutreffend festgestellt, dass darin ein Anspruch des Beklagten auf Ausgleichung gemäß §§ 2316, 2057a BGB ausgeschlossen wurde. Aus dem Testament ergebe sich, dass der Beklagte anstelle eines Anspruchs aus § 2057a BGB einen anderen Ausgleich für seine Leistungen erhalten habe, indem er nämlich als Alleinerbe eingesetzt wurde. Sein gesetzlicher Erbanteil hätte nur 1/3 betragen. Aus dem Testament ergebe sich der Wille der Erblasserin, einen Ausgleichungsanspruch des Beklagten für seine erbrachten Leistungen ausschließen zu wollen. Aus dem Umstand, dass die Erblasserin die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben unter Ausschluss ihrer anderen beiden Kinder ausdrücklich mit dessen Pflege- und anderen Leistungen für sie begründet hat, ergebe sich, dass damit die Leistungen mit der Erbschaft abschließend kompensiert werden sollten und ein darüber noch hinausgehender Ausgleichungsanspruch ausgeschlossen sein sollte. Eine ausdrückliche Anordnung sei insoweit nicht erforderlich gewesen, da sich der Wille der Erblasserin aus dem Kontext des Testaments ergebe. Dass eine Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB vom Erblasser durch letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) ausgeschlossen werden könne, entspreche der einhelligen Auffassung im Schrifttum. Hiervon abweichende Rechtsprechung sei nicht vorhanden.

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Beklagten vor dem BGH ist nach diesem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.

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