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Zum Feststellungsinteresse bei einer Klage auf Feststellung des Nichtentzugs des Pflichtteilsrechts durch letztwillige Verfügung

|   Erbrecht

(OLG Celle, Urteil vom 17.03.2022 – Az: 6 U 63/21 – ZErb 2022, 216-217 -)

Leitsatz

Die Klage auf Feststellung, dem Kläger sei sein Pflichtteilsrecht nicht durch letztwillige Verfügung des Erblassers wirksam entzogen worden, ist grundsätzlich mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger kann Leistungsklage in Form der isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder in Form der Stufenklage mit einem zunächst unbezifferten Antrag auf Zahlung des Pflichtteils erheben, wobei sodann die Frage der Pflichtteilsentziehung inzident zu klären ist. Das Recht eines Erblassers, den Pflichtteil zu entziehen, wird mit Eintritt des Erbfalls zur bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis, die jetzt als dessen unselbständiges Element – auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozesshäufung – nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein kann.

Sachverhalt

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem festgestellt wurde, dem Kläger sei der Pflichtteil nach seinem Vater nicht durch letztwillige Verfügung vom 17.03.2020 entzogen worden.

Der im Jahre 2020 verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beklagten zu 1) verheiratet und hatte vier Kinder. Der Kläger stammt aus der ersten Ehe des Erblassers. Er wurde durch Urteil des Landgerichts Bremen vom September 2009 wegen Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Mit notariellem Testament vom 17.03.2020 bestimmte der Erblasser die Beklagten zu 1) und 2) als Erben jeweils zur Hälfte. In § 3 des notariellen Testaments hieß es:

Meinem Sohn (dem Kläger), entziehe ich hiermit den gesetzlichen Pflichtteil unter Hinweis auf folgenden Sachverhalt:                                                                                   
Mein Sohn ist drogenabhängig und wegen Drogenhandels vorbestraft. Er hat mehrere Vorstrafen erhalten, u. a. eine Haftstrafe von 4 1/2 Jahren, die er zu 2/3 verbüßt hat. Meiner Kenntnis nach hat er Kontakt zu arabischen Großfamilien und treibt in Zusammenhang damit den Handel mit Drogen. Es liegt also ein Grund zur Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 Abs. 1 Ziffer 4 BGB vor, von dem ich hiermit Gebrauch mache."

Das Landgericht hat die mit der Klage verlangte Feststellung getroffen, dem Kläger sei das Pflichtteilsrecht nach dem Vater nicht durch dessen letztwillige Verfügung vom 17.03.2020 entzogen worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Entscheidungsgründe des OLG Celle

Die Berufung ist begründet.

Die Klage ist unzulässig, weil ihr das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Der Kläger hätte Leistungsklage in Form der isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder in Form der Stufenklage mit einem zunächst unbezifferten Antrag auf Zahlung des Pflichtteils erheben können, wobei sodann die Frage der Pflichtteilsentziehung inzident zu klären gewesen wäre.

Denn das Recht eines Erblassers, den Pflichtteil zu entziehen, wird mit Eintritt des Erbfalls zur "bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis…, die jetzt als dessen unselbstständiges Element – auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozesshäufung – nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein kann" (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1993 – IV ZR 139/91, juris Rn. 10).

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage kann nicht mit der Begründung bejaht werden, dass bei erfolgter Feststellungsklage eine freiwillige Auskunftserteilung oder eine freiwillige Pflichtteilszahlung der Beklagten zu erwarten ist. Vielmehr hat die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergeben, dass die Parteien sehr unterschiedliche Auffassungen zu den Fragen vertreten, ob und in welchem Umfang Auskunft über den Nachlass zu erteilen ist, ob weitere Wertermittlungen für die verschiedenen Grundstücke im Nachlass zu erfolgen haben und in welcher Höhe sich ein Pflichtteilsanspruch berechnet.

Die Klage ist daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

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