Detail

Zum Stichtagsprinzip bei der Pflichtteilsberechnung im Falle von Kunstgegenständen als Bestandteilen des Nachlasses

|   Newsletter 03/2018

(LG Köln, Schlussurteil vom 06.04.2016 – AZ: 4 O 118/03 – ErbR 2018, 407 (nicht rechtskräftig)-)

Die Parteien streiten um Pflichtteilsansprüche des Klägers. Dieser ist eines von drei Kindern des bereits im Jahre 2002 verstorbenen Erblassers aus dessen erster Ehe. Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers.

Der Erblasser errichtete im September 2002 ein Testament, in dem er seine zweite Ehefrau und seine weiteren Kinder als Erben einsetzte, den Kläger jedoch auf den Pflichtteil beschränkte.

Zum Nachlass des Erblassers, dessen Wert  nach der gesetzlichen Regelung die Grundlage für die Berechnung  des Pflichtteilsanspruchs bildet, gehörten zwei Gemälde namhafter Künstler. Über die Authentizität des einen Gemäldes herrschte am Todestag des Erblassers und lange Jahre danach Streit. In das Werkverzeichnis des Künstlers war das Bild am Todestag des Erblassers, der für die Wertbestimmung nach § 2311 BGB maßgebend ist, nicht eingetragen.

Das Landgericht Köln geht in der Entscheidung davon aus, dass die Institution, die das Werkverzeichnis führt, eine Monopolstellung inne habe und eine Eintragung in das Werkverzeichnis Voraussetzung für einen "Marktwert" sei. Das Bild war der Institution allerdings weder zu Lebzeiten des Erblassers noch unmittelbar nach dem Todesfall zur Prüfung überlassen worden. Als sie das Bild erstmals 11 Jahre nach dem Todesfall des Erblassers in Augenschein nahm, wurde die Aufnahme in das Werkverzeichnis zugesagt und das Bild anschließend für 4 Millionen € als echt veräußert. 

Hinsichtlich dieses Gemäldes ist das Landgericht Köln unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass der Pflichtteilsberechtigte wirtschaftlich so zu stellen ist, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Deshalb sei auf den gemeinen Wert, welcher dem Verkaufswert eines Nachlassgegenstandes im Zeitpunkt des Erbfalls entspricht, abzustellen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls im Jahre 2002 habe dieses Gemälde einen Wert von 0,00 € aufgewiesen und sei folglich auch im Rahmen der Pflichtteilsberechnung mit diesem Betrag zu werten. Diese Einschätzung beruhe darauf, dass das Kunstwerk unstreitig erst knapp 11 Jahre nach dem Erbfall als echt anerkannt wurde und die Aufnahme in das Werkverzeichnis zugesichert wurde. Erst mit dieser Anerkennung habe das Bild einen Verkehrswert erhalten, da es vor der Qualifizierung als echt auf dem Kunstmarkt nicht verkäuflich gewesen sei. Auch habe der hinzugezogene Sachverständige erläutert, dass kein seriöses Auktionshaus ein Gemälde aufbieten werde, dessen Echtheit nicht bestätigt worden sei. 

Der Einwand des Klägers, dass das Kunstwerk bei objektiver Betrachtung einen Wert in Millionenhöhe schon zum Zeitpunkt des Erbfalls gehabt habe, da es sich schon immer um ein echtes Werk des betreffenden Künstlers gehandelt habe, verfange hier nicht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH komme es für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs auf den Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls an. Aufgrund des fehlenden Echtheitssiegels wäre eine Versilberung auf dem Kunstmarkt im Zeitpunkt des Erbfalls nicht realistisch gewesen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Gemälde nunmehr 12 Jahren nach dem Erbfall für 4 Millionen € verkauft wurde. 

Die Authentizität des zweiten Bildes stand nicht im Streit. Das Gemälde war allerdings am Todestag des Erblassers in die Lost Art – Datenbank eingetragen, die vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg betrieben wird.

Der vom Landgericht Köln hinzugezogene Sachverständige hatte zu diesem Gemälde ausgeführt, dass es nur für die rechtmäßigen Eigentümer einen Wert habe, da die Eintragung im Register als Beutekunst des Zweiten Weltkrieges das Gemälde für andere Besitzer unverkäuflich mache. Im Hinblick darauf ist das Landgericht Köln in seiner Entscheidung bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers davon ausgegangen, dass auch dieses Gemälde mit einem Wert von 0,00 € anzusetzen sei, und hat in Bezug auf die beiden in Rede stehenden Gemälde einen Pflichtteilsanspruch des Klägers verneint.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden.


Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

Zurück