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Zur Behandlung von Grabpflegekosten im Pflichtteilsrecht

|   Erbrecht

(BGH, Urteil vom 26.05.2021 – AZ: IV ZR 174/20 –)

Leitsatz

  1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
  2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.

Sachverhalt

In der Rechtsprechung zum Pflichtteilsrecht spielt immer wieder die Streitfrage eine Rolle, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs die für das Grab des Erblassers entstehenden Kosten der Grabpflege vom Wert des Nachlasses in Abzug gebracht werden und deshalb den Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten entsprechend schmälern können, und ob dies jedenfalls dann der Fall ist, wenn der Erblasser in seinem Testament die Entnahme von Geldbeträgen aus seinem Nachlass für die Grabpflege angeordnet hat.

Im konkreten Streitfall hatte die Erblasserin in ihrem Testament u. a. ausgeführt:

"Wenn alles verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot."

Die vom Pflichtteilsberechtigten verklagte Testamentsvollstreckerin holte zwei Angebote über die Kosten einer 20-jährigen Grabpflege ein. Nach einem der Angebote beliefen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach dem anderen auf 7.329,57 €.

Die Aktiva des Nachlasses beliefen sich auf 16.102,74 €, die Nachlassverbindlichkeiten ohne Berücksichtigung der Grabpflegekosten auf 6.337,55 €. Der Kläger forderte eine Pflichtteilszahlung in Höhe von 3.559,77 €. Die Testamentsvollstreckerin überwies ihm aber nur 809,44 €. Deshalb erhob der Pflichtteilsberechtigte Klage und machte geltend, die Kosten der Grabpflege könnten nicht vom Wert des Nachlasses in Abzug gebracht werden.

Das Amtsgericht hat seine Klage abgewiesen. Das Landgericht Mannheim, das für die Berufung des Klägers zuständig war, hat die Berufung zurückgewiesen und die Ansicht vertreten, die Grabpflegekosten seien bei der Pflichtteilsberechtigung jedenfalls dann abzuziehen, wenn der Erblasser im Testament die Grabpflege und die Verwendung der Mittel aus dem Nachlass für eine bestimmte Dauer der Grabpflege anordne. Dadurch sei den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden, für eine solche Grabpflege zu sorgen. Dem Erblasserwillen könne daher nur zur Geltung verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege vom Nachlass als Verbindlichkeit abgezogen würden. Die Kosten der Grabpflege schätzte das Berufungsgericht auf 9.506,20 €, den Mittelwert der von der Testamentsvollstreckerin eingeholten beiden Angebote.

Hiergegen richtete sich die vom Landgericht Mannheim zugelassene Revision des Klägers, die im Ergebnis Erfolg hatte.

 

Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofs

Die Kosten der Grabpflege sind im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trägt gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet.

Demgegenüber zählen die Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, denn sie entspringen nicht einer rechtlichen Verpflichtung, sondern allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben.

Die Möglichkeit, im Rahmen der Erbschaftsteuer Grabpflegekosten abzusetzen, vermag an der fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern. Das bestimmte Aufwendungen steuerrechtlich berücksichtigungsfähig sind, sagt über die zivilrechtliche Verpflichtung des Erben zur Kostentragung nichts aus.

Auch eine möglicherweise aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift bestehende Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege, etwa aufgrund einer kommunalen Friedhofsatzung, hat keinen Einfluss auf die Frage, ob rein zivilrechtlich eine Nachlassverbindlichkeit besteht.

Auch die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie 20 Jahre Grabpflege zu verwenden, kann dem pflichtteilsberechtigten Kläger nicht entgegengehalten werden, da sie in Bezug auf die Grabpflege keine abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit begründet. Denn eine Bestimmung des Erblassers in einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) über Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege ist als Auflage i. S. v. §§ 1940, 2192 BGB oder – je nach Ausgestaltung – als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Eine Auflage ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder einem Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt wird, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf die Leistung erhält.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt eine Nachlassverbindlichkeit für den Erben, die auf einer Auflage des Erblassers beruht, nicht zur Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs. Denn nach einhelliger Auffassung ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig. Dieser Vorrang ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach sind Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle eines Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 der Insolvenzordnung werden aber Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vorrangig vor Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Hintergrund ist, dass es dem Erblasser verwehrt sein soll, den Pflichtteilsanspruch durch freigebige Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.

Dieser Vorrang des Pflichtteilsanspruchs gilt somit auch dann, wenn der Erblasser – wie hier – Grabpflege in Form einer testamentarischen Auflage angeordnet hat. In einem solchen Fall können die Kosten einer Grabpflege daher bei der Berechnung des Nachlasswertes für den Pflichtteilsanspruch nicht in Abzug gebracht werden.

Anders ist die Rechtslage nur dann, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hat, der sodann den oder die Erben als seine Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet.

TIPP:Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs und ihre Begründung entspricht der ganz herrschenden Rechtsauffassung in der einschlägigen Fachliteratur und auch der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung. Es war deshalb wenig verständlich, dass das Landgericht Mannheim als Berufungsgericht nicht erkannt hat, dass eine testamentarische Auflage gegenüber einem Pflichtteilsanspruch nachrangig ist. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr erfreulicherweise für die erforderliche Klarstellung gesorgt.

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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