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Zur Frage der Haftung der Erben für Bodenverunreinigungen als Handlungs-verantwortliche im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes

|   Erbrecht

(OLG München, Urteil vom 01.04.2021 – AZ: 24 U 7001/19 – ErbR 2021, 983 – 986)

Leitsatz

Die Erben des Erben des Verursachers sind nicht als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG als Handlungsverantwortliche zur Beseitigung einer schädlichen Bodenverunreinigung verpflichtet.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG). Klägerin ist die Gemeinde als Eigentümerin eines Weges, der zwischen zwei Privatgrundstücken verläuft.

Auf diesen Privatgrundstücken betrieb seit dem Jahre 1940 ein Einzelunternehmer ein Milchwerk. Seit 1967 befand sich auf einem der beiden Privatgrundstücke eine Eigenverbrauchstankstelle. Im Jahre 1987 verkaufte der Unternehmer sein Unternehmen, wobei jedoch die ihm gehörenden Betriebsgrundstücke in seinem Privatbesitz verblieben. Die Tankstelle wurde seit 1987 nicht mehr genutzt und 1991 aufgehoben.

Der Unternehmer verstarb im Jahre 1988 und wurde von seiner Ehefrau als Alleinerbin beerbt. Diese wiederum verstarb im Dezember 2003 und wurde aufgrund ihrer Testamente zu 2/3-Anteil von ihrer Cousine, der Beklagten zu 2), und zu 1/3-Anteil von dem Neffen aus der Familie ihres vorverstorbenen Ehemannes, dem Beklagten zu 1), beerbt. Die Erbauseinandersetzung zwischen den Beklagten ist seit Juli 2005 beendet. Im Jahre 2012 erwarb der Bruder der beiden Beklagten deren Miteigentumsanteile an den Privatgrundstücken und ist jetzt deren Alleineigentümer.

Im Jahre 2014 wurden im Bereich des der Gemeinde gehörenden Weges im Zuge von Straßenbaumaßnahmen Bodenverunreinigungen in Gestalt von Mineralölkohlenwasserstoffen gefunden, die von dem Betrieb der Eigenverbrauchstankstelle herrühren. Die klagende Gemeinde ließ Bodenproben entnehmen und analysieren sowie Rammsondierungen vornehmen, die rund 23.000,00 € kosteten. Für die Beseitigung des kontaminierten Erdreichs musste die Gemeinde Kosten von knapp 75.000,00 € bezahlen.

Mit ihrer Klage verlangt die Gemeinde von den Beklagten die Zahlung von rund 67.000,00 € nebst Zinsen. Sie macht geltend, sie sei als Grundstückseigentümerin des verseuchten Wegegrundstücks ebenso zur Sanierung verpflichtet wie die beiden Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers, weshalb der Gemeinde gegenüber den Beklagten ein Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG zustehe. Als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers müssten die Beklagten die Ausgaben vollständig erstatten.

Die Klage wurde in erster Instanz vom Landgericht Memmingen abgewiesen mit der Begründung, die Beklagten seien nicht Verpflichtete im Sinne von § 4 Abs. 3 Bundesbodenschutzgesetz, da sie nicht Gesamtrechtsnachfolger des ursprünglich Verpflichteten seien, sondern nur Gesamtrechtsnachfolger der Gesamtrechtsnachfolgerin des ursprünglich Verpflichteten.

Die hiergegen gerichtete Berufung der klagenden Gemeinde blieb beim OLG München erfolglos.

Entscheidungsgründe des OLG München (Kurzfassung)

Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG, da die Beklagten nicht zum Kreis der Verpflichteten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG gehören.

Verpflichtet zur Sanierung der schädlichen Bodenveränderung sind neben der Klägerin, die als Eigentümerin des Weges Zustandsverantwortliche ist, der Verursacher sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger. Verursacht wurde die Verschmutzung durch den bereits verstorbenen Einzelunternehmer. Gesamtrechtsnachfolgerin war seine ebenfalls bereits verstorbene Ehefrau. Die Beklagten sind als Miterben der verstorbenen Ehefrau nicht Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers.

Eine Gesamtrechtsnachfolge vom Erblasser auf den Erbeserben kennt das Zivilrecht des BGB nicht.

Auch die Gesetzesmaterialien des Bundesbodenschutzgesetzes geben für eine erweiternde Auslegung des Begriffs der Gesamtrechtsnachfolge keinen Hinweis. Mit jedem weiteren Erbfall wächst der Abstand zum Verursacher, sodass das Verursacherprinzip immer weniger eine Haftung der nachfolgenden Erbengenerationen trägt.

Die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers für vom Erblasser verursachte schädliche Bodenverunreinigungen ist, solange sie nicht durch einen Verwaltungsakt konkretisiert ist, keine Nachlassverbindlichkeit, sondern eine abstrakte Polizeipflicht, die nicht im zivilrechtlichen Sinne vererbbar ist.

 

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Justizrat Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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