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Anforderungen an ein sogenanntes Brieftestament (Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 23.11.2021 – AZ: 5 W 62/21 – ZErb 2022, 448 – 450)

|   Erbrecht

Leitsatz

Ein privatschriftliches Testament kann grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein. Ein solches Testament muss dann zum einen den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügen, d. h. insbesondere eigenhändig geschrieben und unterzeichnet sein, und zum anderen auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruhen.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, mit dem sie als jeweils hälftige Erben der Erblasserin festgestellt werden wollten. Zur Begründung haben sie sich auf ein Schreiben der Erblasserin vom 27.12.2018 berufen. Darin hatte die unverheiratete und kinderlose Erblasserin den Beteiligten zu 3) und zu 4) u. a. Folgendes mitgeteilt:

 

"Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtstag recht herzlich bedanken....

Im neuen Jahr gehe ich mit T. zum Notar; Ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich überhaupt nicht um mich, da ist jede Verbindung abgebrochen.…"

 

Ausweislich der von den Beteiligten zu 3) und zu 4) vorgelegten Unterlagen (Schreiben des Notars X. vom 16.09.2019, Entwurf einer notariellen Urkunde) war für die Erblasserin am 20.09.2019 ein Beurkundungstermin bei dem Notar vereinbart worden, in dem das im Entwurf vorgelegte Testament beurkundet werden sollte, mit dem die Beteiligten zu 3) und zu 4) – jeweils hälftig – zu Erben berufen werden sollten. Nach deren Darstellung konnte dieser Termin aufgrund einer sturzbedingten Krankenhauseinweisung der Erblasserin auch in der Folge nicht mehr stattfinden.

 

Die Beteiligten zu 1) und zu 2) haben der Erteilung des beantragten Erbscheins widersprochen mit der Begründung, der Brief vom 27.12.2018 könne nicht als Testament angesehen werden, da es an der Ernsthaftigkeit der Erbeinsetzung fehle. Auch formal bestünden Zweifel an der Gültigkeit des Schreibens als Testament. Da der Entwurf des notariellen Testaments nicht unterzeichnet worden sei, habe es bei der gesetzlichen Erbfolge zu verbleiben.

 

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Tatsachen, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet und die die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins bewilligt. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit ihrer Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe des Saarländischen Oberlandesgerichts

Die Beschwerde ist begründet. Der beantragte Erbschein ist nicht zu erteilen, weil die Beteiligten zu 3) und zu 4), die sich für ihr vermeintliches Erbrecht auf ein privatschriftliches "Testament" aus dem Schreiben der Erblasserin vom 27.12.2018 stützen, dadurch nicht zu ihren Erben geworden sind. Das Schreiben kann bei der gebotenen engen Auslegung unter Berücksichtigung auch aller weiteren Umstände nicht als letztwillige Verfügung angesehen werden, sondern bestenfalls als Ankündigung, die Beteiligten zu 3) und zu 4) zu einem späteren Zeitpunkt mittels notarieller Verfügung zu Erben einsetzen zu wollen, was aber nicht geschehen ist.

 

Allerdings hat das Nachlassgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass ein privatschriftliches Testament grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein kann. Eine solche schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann allerdings, auch wenn sie den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügt, d. h. insbesondere eigenhändig geschrieben und unterzeichnet ist, nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Daher muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden. Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umständen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. An den Nachweis des Testierwillens sind bei einem Brieftestament strenge Anforderungen zu stellen.

 

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann das Schreiben der Erblasserin vom 27.12.2018 mangels eines sich daraus mit ausreichender Gewissheit ergebenden Testierwillens nicht als letztwillige Verfügung angesehen werden.

 

Schon der Wortlaut des Schreibens bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Erblasserin habe damit die Beteiligten zu 3) und 4) zu ihren Erben einsetzen wollen, da er bereits nicht in diesem Sinne hinreichend eindeutig gefasst ist. Denn der Kontext der Erklärung – im Rahmen einer Dankeskarte für die "liebevolle Aufnahme an Weihnachten", das schöne Esszimmer und das gute Essen, verbunden mit der Ankündigung, im neuen Jahr "mit T. zum Notar" gehen zu wollen – deutet erkennbar darauf hin, dass die Erblasserin mit ihrer Aussage zur beabsichtigten Erbeinsetzung ihre Anerkennung für die kurz zuvor erlebte Zuwendung äußern und den Adressaten deshalb schon zu diesem Zeitpunkt ihr Vorhaben, im neuen Jahr notariell zu testieren, ankündigen wollte. Dass sie mit der Formulierung, diese sollten ihre Erben sein, bereits deren endgültige Erbeinsetzung beabsichtigt haben könnte, begegnet vor diesem Hintergrund durchgreifenden Zweifeln, die der Annahme, es könne sich dabei schon um ein Testament und nicht nur um eine entsprechende Ankündigung handeln, bei der gebotenen engen Auslegung entgegenstehen.

Hinzu kommt, dass nach Darstellung der Beteiligten zu 3) und zu 4) in Verbindung mit den von ihnen vorgelegten Schriftstücken für die Erblasserin am 20.09.2019 ein Beurkundungstermin vereinbart war, in dem diese ein notarielles Testament entsprechenden Inhalts hätte errichten sollen. Auch dies lässt Rückschlüsse auf den Willen der Erblasserin bei der Abfassung des Schreibens vom 27.12.2018 zu. Denn es spricht gegen die Annahme, das frühere Schreiben vom 27.12.2018 sei bereits mit Testierwillen verfasst worden. Die Vereinbarung des Beurkundungstermins und die auf Seiten der Erblasserin offenbar gesehene Notwendigkeit eines solchen Schrittes deutet unter den gegebenen Umstände darauf hin, dass sie vielmehr davon ausging, bislang nicht rechtsgültig testiert zu haben.

Auch wenn es gute Gründe geben mag, ein bestehendes Testament nochmals in notarieller Form zu bestätigen, ist zu solchen anderen Gründen, die die Erblasserin zu diesem – auch mit Kosten verbundenen – Schritt bewogen haben könnten, nichts ersichtlich.

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