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Die Fristenregelung in § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB für Schenkungen unter Ehegatten ist verfassungsgemäß

|   Erbrecht

(BVerfG, 1. Senat, 4. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 26.11.2018 – AZ: 1 BvR 1511/14)

Gesetzliche Regelung

Nach § 2325 Abs. 1 und Abs. 3 Sätze 1 und 2 BGB können Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren seines Lebens einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen. Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB für Schenkungen des Erblassers an seinen Ehegatten: Für diese beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe. Wird die Ehe durch den Tod des Erblassers aufgelöst, bedeutet dies, dass alle Schenkungen des Erblassers an den Ehegatten, die während der gesamten Dauer der gemeinsamen Ehe erfolgt sind, für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs mit ihrem indexierten Wert zu berücksichtigen sind, also auch dann, wenn sie länger als zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers stattgefunden haben, und zwar ohne dass die Abschmelzungsregelung des § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB Anwendung findet. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Ausnahmeregelung ist wegen der unterschiedlichen Behandlung von Schenkungen an den Ehegatten gegenüber Schenkungen an nichteheliche (nicht eingetragene) Lebenspartner oder sonstige Dritte in der Literatur umstritten, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits mit Nichtannahmebeschluss vom 06.04.1990 - 1 BvR 171/90 - NJW 1991, 217 die Verfassungsmäßigkeit bejaht hat.

Sachverhalt

Der Erblasser hatte seine Ehefrau aus zweiter Ehe und seinen Sohn aus dieser Ehe testamentarisch zu seinen Erben eingesetzt. Mehr als zehn Jahre vor seinem Tod hatte er seiner zweiten Ehefrau ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück geschenkt. Im Ausgangsverfahren wurden beide Erben auf Klage eines Sohnes des Erblassers aus erster Ehe in Anwendung des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB wegen möglicher Pflichtteilsergänzungs-ansprüche zur Auskunft über wertbildende Faktoren des verschenkten Grundstücks verurteilt. Dabei vertraten die Gerichte die Auffassung, die Vorschrift sei mit der Verfassung vereinbar. Hiergegen machten die Erben mit ihrer Verfassungsbeschwerde geltend, die Vorschrift verletze den Schutz von Ehe und Familie, weil mehr als zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers vorgenommene Schenkungen nur dann für den Pflichtteilsergänzungs-anspruch herangezogen würden, wenn der Empfänger der Ehegatte des Erblassers sei. Die Witwe sei hierdurch in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG, der Sohn aus zweiter Ehe in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

Entscheidungsgründe des BVerfG

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unbegründet sei. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB verstoße weder gegen Art. 6 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stelle, enthalte einen besonderen Gleichheitssatz. Für einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG verbleibe daneben kein Raum, wenn nicht eine stärkere sachliche Beziehung zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestehe. Art. 6 Abs. 1 GG verbiete die Diskriminierung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens-und Erziehungsgemeinschaften und insbesondere die Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen. Eine belastende Differenzierung zu Lasten Verheirateter setze daher voraus, dass sich hierfür aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben. Dabei sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, generalisierend-typisierende Regelungen zu treffen, sofern er den nach Art. 6 Abs. 1 GG geschuldeten besonderen Schutz beachte.

Auch bei Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, soweit dafür neben Art. 6 Abs. 1 GG für den konkreten Fall überhaupt noch Raum sei, sei die Ungleichbehandlung des Ehegatten zumindest gerechtfertigt. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB bewirke nämlich im Rahmen der Pflichtteilsergänzung keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten und Schenkungen an Dritte, insbesondere nichteheliche Lebensgefährten und Kinder, auch soweit der beschenkte Ehegatte selbst dem Pflichtteilsergänzungsanspruch als Schuldner ausgesetzt sei. Der Gesetzgeber habe im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums davon ausgehen dürfen, dass typischerweise bei einer Schenkung an nichteheliche Lebensgefährten und Kinder keine gleichermaßen dauerhafte Erwartung der Weiternutzungsmöglichkeit besteht wie bei Ehegatten.

Die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten und die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche können zur Grundlage der Ungleichbehandlung von Dritt- und Ehegattenschenkungen gemacht werden. Zum einen partizipiere der Ehegatte, der durch Schenkung oder unbenannte Zuwendung Vermögenspositionen übertrage, im Rahmen der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung in der Regel weiterhin an den Nutzungen des Vermögens. Die ehelichen Lebensverhältnisse, die Maßstab der Unterhaltspflicht seien und an denen Ehegatten grundsätzlich hälftig partizipieren, würden durch Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten nicht geändert. Eine vergleichbare gegenseitige Unterhaltsverpflichtung bestehe zu Verwandten und nicht miteinander verheirateten Eltern nicht.

Zum anderen bestehe jedenfalls bei gesetzlichem Güterstand der Zugewinngemeinschaft eine wirtschaftliche Verflechtung der Vermögen der Ehegatten durch den Zugewinnausgleich. Da im Wege der Schenkung oder unbenannte Zuwendung übertragenes Vermögen dem Zugewinnausgleich unterfalle, sei die übertragene Vermögensposition dem Vermögen des übertragenden Ehegatten wirtschaftlich nicht endgültig entzogen.

Außerdem sorge § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem hinterbliebenen Ehegatten und den sonstigen Pflichtteilsberechtigten und halte sich auch insoweit innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraums. Der Senat verweist hierzu auf seinen Beschluss vom 19.04.2005 - 1 BvR 1644/00 - BVerfGE 112, 332 ff., mit dem das Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers als durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützte grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass und Vermögen festgestellt wurde. Von einer weiteren Begründung hat der Senat gem. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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