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Eigenverwaltung: Haftung des vertretungsberechtigten Geschäftsleiters

|   Insolvenzrecht (s. auch Sanierungsrecht)

(BGH, Urteil vom 26. April 2018 – AZ: IX ZR 238/17 -)

Der zitierten Entscheidung lag – zusammengefasst – der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Über das Vermögen der S. GmbH & Co. KG (nachfolgend Insolvenzschuldnerin) wurde am 30. März 2014 ein Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Der Beklagte wurde im September 2014 zum weiteren Geschäftsführer der Komplementärin der Insolvenzschuldnerin berufen. Noch bevor das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans durch Beschluss vom 28. Januar 2015 aufgehoben wurde, bestellte die Insolvenzschuldnerin im Dezember 2014 bei der Klägerin Waren, die von der Klägerin im April 2015 vertragsgemäß geliefert, von der Insolvenzschuldnerin aber nicht bezahlt wurden. Auf den Eigenantrag vom 18. Juli 2015 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen des Forderungsausfalls machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 88.000,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten mit geltend. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen abgewiesen wurde, hatte die Beklagte mit ihrer Revision insoweit Erfolg, als dass der BGH die angefochtene Entscheidung aufhob und an das Berufungsgericht zurück verwies.

Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass die insolvenzrechtlichen Bestimmungen, die eine Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz normieren, entsprechend auf die vertretungsberechtigten Geschäftsleiter eines Insolvenzschuldners anzuwenden sind, sofern es sich bei dem Insolvenzschuldner um eine juristische Person handelt und in dem Insolvenzverfahren die Eigenverwaltung angeordnet ist. 

Zur Begründung führt der BGH im Wesentlichen aus, dass im Fall der Eigenverwaltung – bei dieser werden die laufenden Geschäfte vom Insolvenzschuldner selbst geführt, der dabei von einem Sachwalter kontrolliert und unterstützt wird – in Bezug auf die Haftung der Beteiligten eine planwidrige Gesetzeslücke besteht, die durch eine entsprechende Anwendung der Haftungsvorschriften der §§ 60, 61 InsO auf den vertretungsberechtigten Geschäftsleiter des Insolvenzschuldners zu schließen ist. Nach Auffassung des BGH kommt für diesen Lückenschluss nur ein Direktanspruch gegen den vertretungsberechtigten Geschäftsleiter in Betracht. Eine Rückgriff auf die allgemein für Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaft gelten Haftungstatbestände, die regelmäßig nur eine Innenhaftung des Geschäftsleiters gegenüber der Kapitalgesellschaft begründen, sei hierfür nicht ausreichend. Zur Gewährleistung eines umfassenden Gläubigerschutzes ist es nach Auffassung des BGH auch nicht ausreichend, in der Eigenverwaltung allein die Haftung des Insolvenzschuldners selbst zu erweitern, da hierdurch die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse nicht vergrößern wird. Hierfür muss vielmehr der Zugriff auf einen weiteren Haftungsschuldner – in einem Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung ist dies der Insolvenzverwalter – möglich sein. Da der vertretungsberechtigte Geschäftsleiter des Insolvenzschuldners insbesondere hinsichtlich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen in die Position des Insolvenzverwalters einrückt, ist nach Auffassung des BGH eine Erweiterung der Haftung des vertretungsberechtigten Geschäftsleiters unter entsprechender Anwendung der insolvenzrechtlichen Haftungstatbestände gerechtfertigt.

Im Ergebnis bedeutet dies für den vertretungsberechtigten Geschäftsleiter einer juristischen Person, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet wurde, dass er 
unter entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, wenn ihm nach der Insolvenzordnung obliegen, und 
unter entsprechender Anwendung von § 61 Satz 1 InsO einem Massegläubiger Schadensersatz schuldet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des vertretungsberechtigten Geschäftsleiters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden kann.

FAZIT: Diese Entscheidung des BGH führt zu einer erheblichen Ausweitung der Haftung des vertretungsberechtigten Geschäftsleiters einer juristischen Person, im Fall eines Insolvenzverfahrens, bei dem die Eigenverwaltung angeordnet wurde.

TIPP: Im Fall der Eigenverwaltung sollte mit Blick auf die besonderen insolvenzrechtlichen Pflichten der Geschäftsleiter und das daraus resultierende Haftungsrisiko frühzeitig fachkundige Hilfe in Anspruch genommen werden. Sprechen Sie uns gerne an.

Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen die Herren Rechtsanwälte JR Udo Gröner, Fachanwalt für Steuerrecht, Dr. Michael Bach und Patrick Steinhausen, gerne zur Verfügung.

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