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Ein Aufhebungsvertrag, der unter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns zustande gekommen ist, kann unwirksam sein

|   Newsletter 04/2020

(BAG, Urteil vom 07. Februar 2019 – AZ: 6 AZR 75/18 -)

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall war eine Arbeitnehmerin als Reinigungskraft beschäftigt. Sie schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsah. Der Anlass und der Ablauf der Vertragsverhandlungen waren zwischen den Parteien im Wesentlichen streitig. Nach Darstellung der Arbeitnehmerin war sie am Tag des Vertragsschlusses erkrankt. Sie hatte den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen. Mit ihrer Klage wandte sie sich u. a. gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes konnte die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag, obwohl er in ihrer Wohnung geschlossen wurde, nicht widerrufen. Der Anwendungsbereich für ein Widerrufsrecht gemäß § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312b BGB sei Arbeitnehmern gemäß § 312 Abs. 1 BGB nicht eröffnet. Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge würden nach Auffassung des BAG nicht unter § 312 Abs. 1 BGB fallen.

Das Bundesarbeitsgericht verwies den Rechtsstreit allerdings zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück, weil diese nicht geprüft hatte, ob der Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das sogenannte Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Ein Verstoß könne z. B. in einer Überrumpelung des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen, z. B. weil diese zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten stattfinden, gesehen werden. Das Gebot fairen Verhandelns schütze unterhalb der Schwelle der von §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen. So könne bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Liege ein solcher schuldhafter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam.

Das Landesarbeitsgericht musste daher die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages erneut beurteilen.

TIPP: Lassen Sie sich vor Abfassung oder Unterzeichnung von Aufhebungsverträgen anwaltlich beraten bzw. lassen Sie unterzeichnete Aufhebungsverträge auf ihre Rechtswirksamkeit überprüfen.

Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Hans-Jörg Ittenbach, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Insolvenzrecht, gerne zur Verfügung.

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