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Erbschaft- und Schenkungsteuer: Maßgebende Steuerklasse beim Erwerb vom biologischen Vater

|   Erbrecht

 (Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.12.2019 – AZ: II R5/17 – juris)

Leitsatz:

Beim Erwerb eines Kindes von seinem leiblichen Vater, der nicht auch der rechtliche Vater ist (biologischer Vater), findet die Steuerklasse III Anwendung.

Orientierungssatz

  1. Für die Steuerklasseneinteilung nach § 15 Abs. 1 ErbStG (Erbschaftsteuergesetz) sind die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend. Die biologische Abstammung allein führt nicht zur rechtlichen Vaterschaft. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
  2. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erfordert keine Auslegung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG dahingehend, dass auf den Erwerb des Kindes von seinem biologischen Vater die Steuerklasse I anzuwenden ist. Die grundrechtlich geschützte Elternposition, mit der die Anwendung der Steuerklasse I verknüpft ist, hat nur der rechtliche Vater inne.
  3. Eine Berücksichtigung der – als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten heranzuziehenden – Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR führt zu keinem anderen Ergebnis.

Sachverhalt

Der Kläger ist der leibliche, aber nicht der rechtliche Vater (biologischer Vater) der 1987 geborenen Tochter. Deren Mutter war zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter mit einem anderen Mann verheiratet. Eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft erfolgte seitens des Ehemannes der Mutter nicht.

Der Kläger schenkte seiner Tochter im März 2016 einen Geldbetrag in Höhe von 30.000,00 € und sagte zu, etwa anfallende Schenkungsteuer zu übernehmen. In seiner Schenkungsteuererklärung beantragte er die Anwendung der Steuerklasse I. Das zuständige Finanzamt unterwarf hingegen den Erwerb der höheren Schenkungsteuer nach der Steuerklasse III. Der Einspruch des Klägers hiergegen blieb zwar erfolglos, jedoch war seine Klage beim Finanzgericht in erster Instanz erfolgreich. Hiergegen legte das zuständige Finanzamt Revision ein und rügte dabei eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG.

Entscheidungsgründe des Bundesfinanzhofs

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Finanzgerichts und zur Abweisung der Klage. Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden, dass auf den Erwerb der Tochter von ihrem biologischen Vater die Steuerklasse I anzuwenden sei. Es gilt die Steuerklasse III.

Nach § 15 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Steuerklasseneinteilung im Regelfall für jeden einzelnen Erb- oder Schenkungsfall nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker. Zur Steuerklasse I gehören u. a. Kinder und Stiefkinder. In die Steuerklasse III fallen alle übrigen Erwerber. Die Steuerklasse III gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch für den Erwerb eines Kindes von dessen biologischem Vater.

Für die Steuerklasseneinteilung sind die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend. Nach § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt. Vater eines Kindes in diesem Sinne ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Das Vorliegen einer dieser drei Voraussetzungen führt dazu, dass ein Mann als rechtlicher Vater angesehen wird. Aus der rechtlichen Vaterschaft leiten sich Rechte und Pflichten ab.

Die biologische Abstammung allein führt nicht zur rechtlichen Vaterschaft. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Konsequenz ist, dass leibliche und rechtliche Vaterschaft im Einzelfall auseinanderfallen können. Die Systematik des § 15 ErbStG verlangt die Anwendung der Steuerklasse I im Verhältnis des Kindes zu seinem biologischen Vater nicht. Vielmehr spricht die Vorschrift nicht für, sondern gegen die Einordnung des Erwerbs vom biologischen Vater in die Steuerklasse I.

Die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung von Kindern folgt aus der im bürgerlichen Familien- und Erbrecht angelegten Mitberechtigung der Kinder am Familiengut, die nach dem Willen des Gesetzgebers die Weitergabe des in der Familie gebildeten Vermögens an die nächste Generation fördern soll. Unter Beachtung dieses Gesetzeszwecks ist es sachgerecht, den erbschaftsteuerrechtlichen Kindsbegriff auf Kinder i. S. d. Abstammungsrechts (§ 1592 BGB) zu beschränken. Allein die bürgerlich-rechtliche Abstammung begründet Unterhaltspflichten sowie das gesetzliche Erbrecht und den Anspruch auf den Pflichtteil. Demgegenüber bestehen im Rahmen der biologischen Vaterschaft diese gesetzlichen finanziellen Verpflichtungen nicht. Dies rechtfertigt es, ein Kind bei Erwerben von seinem biologischen Vater auf die ungünstigere Steuerklasse III zu verweisen.

Die grundrechtlich geschützte Elternposition, mit der die Anwendung der Steuerklasse I verknüpft ist, hat nur der rechtliche Vater inne. Träger des Elternrechts ist, wer rechtlicher Vater eines Kindes ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der biologische Vater die Elternposition auch nicht neben dem rechtlichen Vater einnehmen. Ein Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukommt, entspricht nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde liegt.

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