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Kommanditisten haften für die Kosten des Insolvenzverfahrens der KG (LG Stuttgart, Urteil vom 22. Juni 2022 – AZ: 27 O 45/22 –)

|   Handels-, Gesellschaftsrecht einschl. Handelsvertreterrecht

Die Haftung des Kommanditisten erstreckt sich auch auf die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kommanditgesellschaft.“ – so lautet der Orientierungssatz einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Stuttgart.

Worum ging es in der Entscheidung?

Der Beklagte war als Kommanditist an einem in der Rechtsform der GmbH & Co. KG organisierten geschlossenen Schiffsfonds („Schuldnerin“) beteiligt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

In den Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhielt der Beklagte Auszahlungen in Höhe von rund 16.000 €. Nach Auffassung des Klägers – die vom Landgericht Stuttgart bestätigt wurde – führten diese Auszahlungen dazu, dass die bereits durch Verlustvorträge geminderte Einlage weiter herabgemindert wurde, so dass die (Außen-)Haftung des Beklagten als Kommanditist in Höhe der Auszahlungen wieder auflebte. Aus diesem Grund forderte der Kläger vom Beklagten die Rückzahlung des Betrags von rund 16.000 € vom Beklagten.

Parallel hatte der Kläger weitere Kommanditisten erfolgreich auf Rückzahlung in Anspruch genommen. Die so erzielten Massezuflüsse wies der Kläger als Sondermasse aus.

Im Ergebnis gab das Landgericht Stuttgart der Klage des Insolvenzverwalters statt und verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Betrages von 16.000 €.

Wofür haftet der Kommanditist in der Insolvenz der KG?

Ausgangspunkt der (Außen-)Haftung des Kommanditisten sind die Vorschriften der §§ 171, 172 Handelsgesetzbuch (HGB). Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar, wobei die Haftung ausgeschlossen ist, soweit die Einlage geleistet ist. Soweit – wie hier – Auszahlungen an den Kommanditisten erfolgen, die zu einer Rückzahlung bzw. Minderung der Einlage führen, lebt die (Außen-)Haftung des Kommanditisten wieder auf, § 172 Abs. 4 HGB.

In dem vom Landgericht Stuttgart entschiedenen Fall war u. a. streitig, für welche Verbindlichkeiten der Beklagte als Kommanditist in der Insolvenz der Kommanditgesellschaft haftet. Die Antwort auf diese Frage war entscheidend für die Beantwortung der Folgefrage, ob die Inanspruchnahme des Beklagten zur Tilgung dieser Verbindlichkeiten erforderlich war.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs (BGH) haftet der Kommanditist in der Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind (der BGH zieht hierzu die Parallele zu § 160 HGB, siehe BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19 –, Rz. 29, juris). Eine Verbindlichkeit ist bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn die Rechtsgrundlage der Verpflichtung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden ist, auch wenn die daraus resultierenden einzelnen Verpflichtungen erst später entstehen und fällig werden. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten (d. h. als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeiten) kommt es nicht an (siehe nur BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19 –, Rz. 42; BGH, Urteil vom 11. Januar 2022 – II ZR 199/20 –, Rz. 17; beide zitiert nach juris).

Bislang nicht geklärt hat der BGH indes die Frage, ob die Haftung des Kommanditisten auch die Kosten des Insolvenzverfahrens umfasst (ausdrücklich offengelassen in BGH, Urteil vom 11. Januar 2022 – II ZR 199/20 –, Rz. 17, juris).

Diese Frage hat das Landgericht Stuttgart nun mit einem Ja beantwortet. Zur Begründung stellt das Landgericht Stuttgart zunächst darauf ab, dass die Kommanditisten im Regelfall mittelbar für die Verfahrenskosten „haften“. Wenn nämlich die vorhandene Insolvenzmasse nach Ausgleich der vorweg zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 53 InsO) nicht für die Deckung der sonstigen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ausreicht, dann haften die Kommanditisten für die Differenz und damit mittelbar für den entsprechenden Betrag der Verfahrenskosten. Sodann nimmt das Landgericht Stuttgart die Konsequenzen in den Blick, die sich im hiesigen Fall – und in Bezug auf die gebildete Sondermasse – ergeben würde, wenn eine unmittelbare Haftung der Kommanditisten für die Verfahrenskosten bestünde.

„Denn verneinte man - mit der Rechtsauffassung des Beklagten - die Haftung der Kommanditisten für die Verfahrenskosten, so dürfte die vom Insolvenzverwalter aus der Inanspruchnahme von Kommanditisten gebildete Sondermasse nicht für die Begleichung der Verfahrenskosten verwendet werden. Dies hätte dann zur Konsequenz, dass das streitgegenständliche Insolvenzverfahren gemäß § 207 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen Massekostenarmut hätte eingestellt werden müssen, obwohl eine erhebliche Sondermasse vorhanden ist.“

Insgesamt ist nach der Auffassung des Landgerichts Stuttgart kein Sachgrund dafür zu erkennen, eine (unmittelbare) Haftung der Kommanditisten für die Verfahrenskosten zu verneinen.

Was ist das Fazit?

Aus Sicht der Gläubiger und der Insolvenzverwalter ist diese Entscheidung durchaus zu begrüßen. Auch in der Sache mag die Erstreckung der Haftung der Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB auf die Kosten des Insolvenzverfahrens nachvollziehbar sein, da ansonsten die gesetzliche Einordnung der Verfahrenskosten als vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeiten unterlaufen werden würde.

Denkt man die Argumentation des Landgerichts Stuttgart indes weiter, dann ließe sich auch eine Haftung für die sonstigen Masseverbindlichkeiten begründen, da ansonsten Masseunzulänglichkeit eintreten könnte, obwohl eine ausreichende Insolvenz(sonder)masse vorhanden wäre. Eine solche Haftungserstreckung auch auf vom Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeiten dürfte jedenfalls mit der vom BGH vorgenommenen Abgrenzung entsprechend § 160 HGB nicht zu vereinbaren sein. Daher bleibt abzuwarten, wie der BGH sich zu dieser Fragestellung positionieren wird.

Einstweilen besteht das Risiko, dass sich ein Kommanditist nur dann erfolgreich gegen eine Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter verteidigen können wird, wenn feststeht, dass die bereits vorhandene Insolvenzmasse (d. h. einschließlich der Sondermasse) zur Befriedigung der Verfahrenskosten, sämtlicher weiterer Masseverbindlichkeiten und der Insolvenzforderungen ausreicht.

Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Patrick Steinhausen LL.M., gerne zur Verfügung.

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