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Kündigung eines Gesellschafters und Wiederaufnahmeanspruch (BGH, Urteil vom 12. Juli 2022 – AZ: II ZR 81/21 –)

|   Handels-, Gesellschaftsrecht einschl. Handelsvertreterrecht

Wie gewonnen so zerronnen“ – so oder so ähnlich ließe sich eine aktuelle gesellschaftsrechtlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs überschreiben.

Worum ging es in der Entscheidung?

Der Kläger und die Beklagte, mittlerweile geschiedene Eheleute, waren Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Die Beklagte hielt einen Teil ihrer Kommanditeinlage treuhänderisch für den Kläger. Da die Beklagte nach der Trennung die Abtretung des treuhänderisch gehaltenen Kommanditanteils an den Kläger verweigerte, erwirkte der Kläger einen rechtskräftigen Beschluss des Familiengerichts, in welchem die Beklagte zur Abtretung verpflichtet wurde. Der im familiengerichtlichen Verfahren entstandene Kostenerstattungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte wurde mittels Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt. Auf dessen Grundlage erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem er den Kommanditanteil und ein Auseinandersetzungsguthaben der Beklagten pfändete. Nachdem eine Zahlung der Beklagten ausblieb, kündigte der Kläger – auf der Grundlage einer § 135 HGB entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag – das Gesellschaftsverhältnis der Beklagten zur Gesellschaft. Nach der Kündigung erfüllte die Beklagte die Kostenforderung des Klägers. Der Kläger begehrt nun u. a. die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte als Kommanditistin aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

Gesellschafterliche Treuepflicht als Hindernis?

In dem noch nicht abschließend entschiedenen Rechtstreit geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die gesellschafterliche Treuepflicht der an sich zulässigen Kündigung – die Voraussetzungen gemäß Gesellschaftsvertrag lagen vor – oder dem Feststellungsbegehren des Klägers entgegengehalten werden kann.

Die gesellschafterliche Treuepflicht verpflichtet jeden Gesellschafter dazu, den gesellschaftsvertraglich geregelten Interessen der Gesellschaft gegenüber den eigenen Interessen Vorrang zu gewähren. Sie wirkt aber auch im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und kann dazu führen, dass ein Gesellschafter seine privaten Interessen gegenüber denjenigen des anderen Gesellschafters zurückstellen muss. Danach kann ein Gesellschafter unter bestimmten Umständen gehalten sein, von einer – an sich berechtigten – Kündigung der Gesellschaft abzusehen. Solche Umstände, die die Kündigung durch den Kläger als treuwidrig erscheinen ließen, stellte der BGH indes nicht fest. Schließlich begründete oder erwarb der Kläger die titulierte Forderung gerade nicht zum Zweck der Hinauskündigung der Beklagten. Vielmehr beruhte die titulierte Kostenforderung auf der unberechtigten Verweigerung der Beklagten, den treuhänderisch gehaltenen Kommanditanteil an den Beklagten abzutreten.

Nach Auffassung des BGH könnte die gesellschafterliche Treuepflicht aber dem Feststellungsbegehren des Klägers, wonach die Beklagte aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, entgegenstehen. Hat der gekündigte Gesellschafter die Forderung des kündigenden Privatgläubigers vor Wirksamwerden der Kündigung oder zumindest vor der Auseinandersetzung befriedigt, dann steht diesem ein Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft zu, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem gekündigten Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht zuzumuten ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind die übrigen Gesellschafter verpflichtet, den gekündigten Gesellschafter rückwirkend wieder in die Gesellschaft aufzunehmen. Besteht der Wiederaufnahmeanspruch, dann kann nach Auffassung des BGH dieser Anspruch vom gekündigten Gesellschafter einer auf Feststellung des Ausscheidens gerichteten Klage entgegengehalten werden:

„Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet die Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner herauszugeben hätte (…). In gleicher Weise besteht kein Anspruch auf Feststellung des Ausscheidens eines gekündigten Gesellschafters nach Kündigung der Gesellschaft gemäß § 135 HGB als (neues) Rechtsverhältnis, wenn der Gesellschafter einen Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft und damit auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hat.“

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Beklagten tatsächlich ein Wiederaufnahmeanspruch zusteht, konnte der BGH die Sache nicht selbst entscheiden und verwies sie daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Was ist das Fazit?

Selbst wenn die Kündigung eines Mitgesellschafters bei Ausspruch berechtigt war, bedeutet dies nicht zwingend, dass der gekündigte Gesellschafter auch endgültig aus der Gesellschaft ausscheiden muss. Ändern sich nach Ausspruch der Kündigung die Umstände, bspw. durch Wegfall des Kündigungsgrundes, kann die gesellschafterliche Treuepflicht dazu führen, dass der gekündigte Gesellschafter in der Gesellschaft verbleiben darf bzw. wiederaufgenommen werden muss. Für den kündigenden Gesellschafter kann dies in der Tat bedeuten: „Wie gewonnen, so zerronnen.“

Sowohl aus Sicht des kündigenden Gesellschafters als auch aus Sicht des gekündigten Gesellschafters sollte daher ein besonderes Augenmerk auf die gesellschafterliche Treuepflicht gelegt werden.

Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Patrick Steinhausen LL.M., gerne zur Verfügung.

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