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Schadensersatzanspruch des Pflichtteilsberechtigten bei Pflichtteilsverzicht infolge arglistiger Täuschung

|   Erbrecht

(LG Koblenz, Teilurteil vom 01.06.2017 – AZ: 10 O 204/16 – ErbR 2017, 685-687 -)

Die Klägerin und die Beklagten sind Geschwister und Kinder ihres im August 2014 verstorbenen Vaters. Ihre Mutter war bereits vorher, nämlich im Jahre 2012 verstorben. Die Eltern hatten sich wechselseitig in einem privatschriftlichen Testament zu alleinigen Erben eingesetzt. In seinem Antrag an das Nachlassgericht vom Juli 2012 auf Erteilung des Erbscheins erklärte der Vater, seine Ehefrau hinterlasse kein Vermögen im Ausland.

Nach dem Tod der Mutter bestimmte der Vater in einem notariellen Testament vom 28.02.2013 die Beklagten zu seinen alleinigen Erben, wodurch die Klägerin enterbt wurde. In diesem Testament erklärte er, derzeit kein Vermögen im Ausland zu haben. Nur wenige Tage vorher, am 21.02.2013, hatte der Vater mit seinen Kindern, also der Klägerin und den Beklagten, einen Erbauseinandersetzungs- und Übertragungsvertrag geschlossen. Darin erhielt die Klägerin ein Grundstück zu Eigentum übertragen, dessen Wert mit 150.000,00 € angegeben wurde. In § 4 des Vertrages wurde vereinbart, dass die Klägerin mit Wirkung auch für ihre Kinder umfassend auf ihr gesamtes Pflichtteilsrecht nach ihrem Vater verzichtet.

In einem Parallelprozess machte die Klägerin gegen ihre Geschwister Pflichtteilsansprüche in Bezug auf den Nachlass der Mutter geltend. In diesem Parallelprozess erhielt sie von den Geschwistern Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Mutter, aus der hervorging, dass Auslandsvermögen im Wert von ca. 750.000,00 € vorhanden war.

Mit Anwaltsschriftsatz vom August 2016 hat die Klägerin daraufhin gegenüber den Beklagten die Anfechtung ihres im Vertrag vom 21.02.2013 erklärten Pflichtteilsverzichts wegen arglistiger Täuschung erklärt, hilfsweise die Anfechtung des gesamten notariellen Vertrages vom 21.02.2013, und hat zugleich ihr Pflichtteilsrecht in Bezug auf den Nachlass des Vaters geltend gemacht. Gleichzeitig hat sie Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Vaters verlangt.

Da die Beklagten Auskunft verweigerten, hat sie schließlich Stufenklage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Vaters und dessen lebzeitige Schenkungen zu erteilen.

Die Beklagten verteidigten sich mit der Behauptung, die Klägerin habe schon in den Jahren 2009 und 2010 davon Kenntnis gehabt, dass Auslandsvermögen vorhanden gewesen sei, weshalb sie bei Erklärung des Pflichtteilsverzichts nicht über den Umfang des vorhandenen Vermögens der Eltern bzw. des Vaters getäuscht worden sei. Die Beklagten konnten diese Behauptung jedoch im Laufe des Rechtsstreits nicht beweisen. Sie wurden deshalb vom Landgericht Koblenz entsprechend dem Antrag der Klägerin zur Auskunftserteilung verurteilt.

In seiner Begründung führte das Landgericht Koblenz aus, die von der Klägerin erklärte Anfechtung des notariellen Vertrages vom 21.02.2013 sei wirksam. Der Vater sei verpflichtet gewesen, ihr vor Erklärung des Pflichtteilsverzichts wahrheitsgemäß Auskunft darüber zu erteilen, dass neben den vorhandenen Konten im Inland und den dort vorhandenen Immobilien auch erhebliches Auslandsvermögen vorhanden war. Diese Offenbarungspflicht habe er schuldhaft verletzt und damit die Klägerin arglistig getäuscht.

Eine Rückabwicklung dieses Vertrages sei jedoch nach dem Tod des Vaters der Parteien nicht mehr möglich. Jedoch stehe der Klägerin ein schuldrechtlicher Anspruch auf Wertersatz zu, den sie als Nachlassverbindlichkeit geltend machen könne. Zusätzlich bestehe wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen im Falle einer arglistigen Täuschung ein Anspruch auf Schadensersatz. Auch dieser Anspruch könne noch nach Ablauf der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 BGB geltend gemacht werden, da dieser Anspruch unabhängig von den Ansprüchen aus § 123 BGB bestehe.

Die Klägerin sei so zu stellen, als ob sie nicht auf ihren gesetzlichen Pflichtteil und die damit verbundenen Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche bezüglich des Nachlasses des Vaters verzichtet hätte.
 

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