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Testamentsauslegung: Änderungsvorbehalt beim Ehegattentestament

|   Erbrecht

(OLG Hamm, Beschluss vom 05.05.2022 – AZ: 10 W 40/21 - ZErb 2023, S. 334 – 336)

Leitsatz

Wird in einem gemeinsamen Testament durch die Eheleute bestimmt, "dass der Letztversterbende berechtigt ist, das Testament noch einseitig abzuändern, jedoch nur, indem die Verteilung des Nachlasses unter den Kindern anders geregelt wird", kann diese Änderungsbefugnis dahingehend ausgelegt werden, dass eines der Kinder das gesamte Erbe erhält. Denn in diesem Fall handelt es sich streng genommen auch um eine "andere Verteilung" des Nachlasses.

Sachverhalt

Die Ehefrau des Erblassers war im Jahre 2004 vorverstorben. Die Ehegatten hatten vier gemeinsame Kinder. Sie waren zu je 1/2-Anteil Miteigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Hausgrundstücks, das im Jahre 2003 in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde. Aufgrund dieser Aufteilung waren die Ehegatten nur noch jeweils hälftige Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss. Die Wohnung im Obergeschoss wurde dem Sohn G. zu Eigentum übertragen.

In einem gemeinschaftlichen handschriftlichen Testament vom Januar 2004 setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben ein. In dem Testament hieß es weiter:

"Ferner bestimmen wir, dass der Letztversterbende von uns berechtigt ist, dieses Testament noch einseitig abzuändern, jedoch nur indem die Verteilung des Nachlasses unter unseren Kindern anders geregelt wird. Ferner bestimmen wir hiermit, dass der Erbe des Letztversterbenden von uns unser Sohn G. sein soll, der bei uns im Hause wohnt.… Unserem Sohn G. machen wir zur Auflage, dass er unseren drei weiteren Kindern.…  je einen Betrag von 5.000,00 € innerhalb eines halben Jahres nach dem Tod des Letztversterbenden zahlen soll. Wenn beim Tod des Letztversterbenden von uns ein Sparguthaben vorhanden ist, soll unser Sohn es mit seinen drei Geschwistern so teilen, dass jeder von ihnen drei gleiche Teile erhält."

Nach dem Tod der Ehefrau errichtete der Erblasser im Juni 2014 ein handschriftliches Testament, in dem es u. a. hieß:

"Ferner bestimme ich hiermit, dass der Erbe nach meinem Tod meinen Sohn J. sein soll der in L. wohnt, mit allem meinem Inventar in Wohnung 1. Wenn ein Sparguthaben vorhanden ist, soll mein Sohn G. den Geschwistern so teilen, dass jeder von ihnen gleiche Teile erhält."

Der Sohn G. hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. Zur Begründung trägt er vor, bei der Zuwendung des halben Hausgrundstücks handele es sich um ein Vorausvermächtnis betreffend die Wohnung im Erdgeschoss. Es sei der Wunsch der Eltern gewesen, dass die Immobilie in einer Hand bleiben solle. Seine Geschwister hätten als Ausgleich ein Barvermächtnis von jeweils 5.000,00 € erhalten sollen.

Diesem Antrag sind der Sohn J. und die weiteren Geschwister entgegengetreten. Sie haben übereinstimmend vorgetragen, der Erblasser habe den Sohn J. durch sein Einzeltestament absichern wollen. Der Sohn G. habe hingegen keinen Unterstützungsbedarf gehabt.

Das Amtsgericht hat in seinem angefochtenen Beschluss den Antrag des Sohnes G. zurück gewiesen mit der Begründung, der Sohn J. sei wirksam vom Erblasser als alleiniger Erbe eingesetzt worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Sohnes G. Zur Begründung trägt er vor, der Änderungsvorbehalt im gemeinschaftlichen Testament der Eltern erfasse nicht die Befugnis, die Einsetzung des Schlusserben nach dem letztlebenden Elternteil zu ändern. Die Abänderungsbefugnis beziehe sich nur auf die Verteilung des sonstigen Vermögens. Nur als Erbe könne er die angeordneten Barvermächtnisse von je 5.000,00 € an die Geschwister erfüllen. Nach dem Wortlaut des Testaments habe der Sohn J. nicht die ganze Wohnung erhalten sollen, sondern nur das darin befindliche Inventar.

Entscheidungsgründe des OLG Hamm

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen. Der Erblasser hat den Sohn J. wirksam zu seinem alleinigen Erben eingesetzt.

Dies ergibt sich aus der Auslegung des Einzeltestaments des Erblassers vom 26.06.2014.

In dem Testament heißt es ausdrücklich, dass der Sohn J. der Erbe sein solle. Diese unmissverständliche Erbeinsetzung kann nicht entgegen ihrem Wortlaut dahingehend umgedeutet werden, dass der Sohn J., statt Erbe zu werden, lediglich ein Vermächtnis erhalten solle und es im Übrigen bei der Erbeinsetzung des Beschwerdeführers im Testament vom Januar 2004 verbleiben solle. Das Testament des Erblassers kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur das Inventar der Wohnung des Erblassers dem Sohn J. zufallen solle. Hätte der Erblasser dem Sohn J. nur die Wohnungseinrichtung im Wege einer Vermächtnisanordnung zukommen lassen wollen, hätte es nicht der vorherigen ausdrücklichen Erwähnung bedurft, dass der Sohn J. zum Erben bestimmt werde.

Der Einsetzung des Sohnes J. als Alleinerben stehe auch nicht entgegen, dass der Erblasser den Beschwerdeführer nach dem weiteren Inhalt des Testaments damit betraut hat, ein eventuell im Erbfall vorhandenes Sparguthaben unter den Geschwistern aufzuteilen. Denn hierzu bedarf es nicht zwingend der Erbeinsetzung. Die Erfüllung eines Vermächtnisses, wie es insoweit vorliegt, kann ohne weiteres auch durch einen Testamentsvollstrecker erfolgen.

An der Einsetzung des Sohnes J. zum Alleinerben war der Erblasser auch nicht durch das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten vom Januar 2004 gehindert. Denn dieses gemeinschaftliche Testament enthält einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, der auch die Befugnis des länger lebenden Ehegatten umfasst, abweichend von dem Ehegattentestament einseitig einen anderen Schlusserben einzusetzen. Dass sich diese Änderungsbefugnis nicht auf die Einsetzung des Schlusserben, sondern nur auf die Verteilung des sonstigen Nachlasses beschränken soll, wie der Beschwerdeführer meint, findet im Wortlaut der Klausel keine Stütze. Die Änderungsbefugnis enthält nach ihrem Wortlaut lediglich die Einschränkung, dass sie nur eine andere Verteilung des Nachlasses unter den Kindern erlaubt. Eine solche Verteilung des Vermögens unter den Kindern ist es aber auch, wenn einer der Abkömmlinge das gesamte Erbe erhält.

Im vorliegenden Fall bewirkt die Klausel jedenfalls, dass der Erblasser den wesentlichen Vermögensbestandteil der Eheleute, nämlich die Wohnung im Erdgeschoss, nicht an einen Dritten außerhalb der Familie weitergeben darf und die Wohnung somit in der Familie verbleibt. Die Ansicht des Beschwerdeführers, das Haus könne nur dann in der Familie erhalten werden, wenn er der Schlusserbe sei, ist nicht nachvollziehbar. Denn das Ziel, die Wohnung in der Familie zu erhalten, wird auch erreicht, wenn der Sohn J. Eigentümer der Wohnung wird.

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