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Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs.

|   Erbrecht

1 Satz 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Die Versicherung an Eides statt ist nicht auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, beschränkt. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen.

(BGH IV. Zivilsenat, Urteil vom 01.12.2021 – AZ: IV ZR 189/20 – ErbR 2022, 206 – 212)

Sachverhalt

Der pflichtteilsberechtigte Kläger machte gegen den Beklagten - Alleinerbe des gemeinsamen Vaters - im Wege der Stufenklage einen Pflichtteilsanspruch geltend. Auf der ersten Stufe wurde der Beklagte durch rechtskräftiges Teil- Anerkenntnisurteil verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen. Dementsprechend legte er dem Kläger das von dem von ihm beauftragten Notar erstellte Nachlassverzeichnis vor. Daraufhin verlangte der Kläger auf der zweiten Stufe die Verurteilung des Beklagten, die Richtigkeit der Angaben im notariellen Verzeichnis an Eides statt zu versichern. Das Landgericht hat durch weiteres Teilurteil diesen Klageantrag abgewiesen. Dieses Teilurteil hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass der Aktiv- und Passivbestand des Nachlasses einschließlich der Schenkungen des Erblassers in seinen letzten zehn Lebensjahren und der ausgleichungspflichtigen Zuwendungen in dem notariellen Verzeichnis, soweit die Angaben darin als solche des Beklagten gekennzeichnet sind, so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande war.

Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Antrag auf Abgabe einer sämtliche Angaben im notariellen Verzeichnis umfassenden eidesstattlichen Versicherung weiter, während der Beklagte die Wiederherstellung des Teilurteils des Landgerichts verlangte.

Entscheidungsgründe des BGH

Die Revision des Klägers hatte Erfolg, diejenige des Beklagten wurde weitgehend als unbegründet zurückgewiesen. Soweit die Revisionen erfolgreich waren, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der BGH stellt in seiner Begründung zunächst - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht (OLG Schleswig) und der überwiegenden Meinung in der Literatur - klar, dass der Erbe unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB, wenn also Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt wurde, auch dann zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, wenn die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Dann aber dürfe sich die eidesstattliche Versicherung nicht  auf die Angaben beschränken, die im notariellen Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, sondern müsse sich grundsätzlich auf alle Angaben im notariellen Verzeichnis erstrecken; dies ergebe sich aus Wortlaut und Systematik der §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 1 und 2 BGB. Denn auch das notarielle Nachlassverzeichnis sei nach dem Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB ein Bestandsverzeichnis i.S.d. § 260 Abs. 1 BGB (juris Rn. 15). Der Wortlaut des § 260 Abs. 2 BGB unterscheide nicht danach, wer das Verzeichnis erstellt hat, sodass er auch das notarielle Verzeichnis umfasse (Rn. 16). Auch dieses Verzeichnis stelle eine eigene Auskunft des Erben dar, wenn dieser es zur Erfüllung des gegen ihn bestehenden Auskunftsanspruchs vorlege und sich dadurch zu eigen mache (Rn. 17). Die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung folge auch aus Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses und der Gesamtregelung des § 2314 Abs. 1 BGB (Rn. 19-24). Privates und notarielles Verzeichnis seien inhaltlich wesensgleich, Schuldner sei in beiden Fällen der Erbe, der unabhängig von den Pflichten des Notars die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit auch des notariellen Verzeichnisses trage, zumal er den Notar auswähle und allein entscheide, ob er dessen Verzeichnis vorlegt. Das notarielle Nachlassverzeichnis würde seine Bedeutung als größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft weitgehend verlieren, wenn die eidesstattliche Versicherung als Kontrollinstrument fehlen würde.

Es sei auch weder geboten, die eidesstattliche Versicherung auf die Angaben zu beschränken, die im notariellen Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, noch sei dem Erben die Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung unzumutbar. Denn als den Auskunftspflichtigen treffe ihn hinsichtlich aller Angaben im notariellen Verzeichnis eine Überprüfungspflicht, wobei er sich anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen verschaffen müsse (Rn. 27). Halte er Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, könne und müsse er die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anpassen (Rn. 25). Er könne dann an Eides statt erklären, dass der Nachlass in dem notariellen Verzeichnis unter Maßgabe der von ihm konkret zu bezeichnenden Berichtigungen und Ergänzungen so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande sei. Das Gesetz lasse für entsprechend flexible Fassungen der an Eides statt zu versichernden Formel in § 261 Abs. 1 BGB genügend Raum (Rn. 28).

Anmerkung des Verfassers

Die Argumentation des BGH überzeugt, da sie alle Aspekte der Problematik beleuchtet und zu schlüssigen Ergebnissen kommt. Hervorzuheben ist dabei die Feststellung, dass der Erbe Auskunftsschuldner ist und bleibt, auch wenn er sich zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht eines Notars bedienen muss. Er allein wählt den Notar aus und entscheidet allein, ob er das notarielle Verzeichnis zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht vorlegt. Er trägt damit - ungeachtet der eigenen Pflichten des Notars - die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit auch des notariellen Verzeichnisses, sodass es nur konsequent ist, dass sich seine eidesstattliche Versicherung grundsätzlich auch auf den gesamten Inhalt des notariellen Verzeichnisses erstrecken muss. Meint er, dies nicht verantworten zu können, können Berichtigungen oder Ergänzungen von ihm in der Formulierung der Eidesformel berücksichtigt werden.

Die künftige Praxis wird sich nach dieser Entscheidung des BGH richten müssen.

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