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Verjährung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen

|   Newsletter 02/2020

(BGH, Urteil vom 13.11.2019 – AZ: IV ZR 317/17 – ZEV 2020, 101-106)

Leitsatz

Auch im Falle einer postmortalen Vaterschaftsfeststellung verjährt der einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling gemäß § 2329 BGB gegen den Beschenkten zustehende Pflichtteilsergänzungsanspruch in drei Jahren von dem Eintritt des Erbfalles an.

Sachverhalt

Der Erblasser ist im Jahre 2007 verstorben. Der im Jahre 1964 geborene Kläger und die Beklagten sind seine gesetzlichen Erben. Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft, Wertermittlung und Duldung der Zwangsvollstreckung wegen mehrerer in den Jahren 1995 und 2002 erfolgten Grundstücksschenkungen in Anspruch, die der Erblasser zu Lebzeiten zugunsten der Beklagten vorgenommen hat.

Die Mutter des Klägers war zum Zeitpunkt seiner Geburt in erster Ehe verheiratet. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete sie den Erblasser, aus dessen erster Ehe die beiden Beklagten hervorgegangen waren. Auch diese zweite Ehe wurde durch Scheidung aufgelöst.

Ende März 2012 leitete der Kläger ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein und beantragte die Feststellung, dass sein Vater nicht der bereits 2001 verstorbene erste Ehemann seiner Mutter, sondern der im Jahre 2007 verstorbene Erblasser war. Dies wurde zugunsten des Klägers im Februar 2015 gerichtlich festgestellt. Nach Rechtskraft dieser Entscheidung forderte der Kläger die Beklagten u. a. zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses auf. Die Beklagten legten ihm ein Nachlassverzeichnis vor, aus dem sich ein negativer Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ergab.

Gegenüber den vom Kläger im Hinblick auf die lebzeitig vom Erblasser vorgenommenen Grundstücksschenkungen geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsansprüchen erhoben sie die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht Wuppertal hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb beim OLG Düsseldorf erfolglos. Mit der vom OLG Düsseldorf zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe des BGH

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts waren Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers aus § 2329 BGB bereits bei Eingang der Klageschrift verjährt. Daher seien auch die mit der Stufenklage vorbereitend geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung nicht begründet.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die vom Kläger gemäß § 2329 geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsansprüche sind nicht durchsetzbar, weil die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift.

Der dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten zustehende Anspruch auf Pflichtteilsergänzung verjährt nach der gesetzlichen Regelung in drei Jahren vom Eintritt des Erbfalls an. Diese kurze kenntnisunabhängige Verjährungsfrist ist ohne Rücksicht auf die Miterbenstellung der beschenkten Beklagten einschlägig und war hier am 05.07.2010, drei Jahre nach dem Tod des Erblassers und somit lange vor Klageerhebung im November 2015 abgelaufen.

Dem Eintritt der Verjährung steht nicht entgegen, dass der Kläger erst seit Rechtskraft des Beschlusses vom 18.02.2015, mit dem die Vaterschaft des Erblassers festgestellt wurde, die damit verbundenen Rechtswirkungen und auch mögliche Ansprüche geltend machen konnte.

Nach § 1600d Abs. 4 BGB in der bis 30.06.2018 geltenden Fassung (jetzt § 1600d Abs. 5 BGB) können die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer – dann allerdings rückwirkenden – Feststellung an geltend gemacht werden.

Ob die sogenannte Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB den Beginn der Verjährungsfrist bis zur Rechtskraft der postmortalen Vaterschaftsfeststellung hindert, ist umstritten. Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur soll die Rechtsausübungssperre dem Beginn der Verjährung nicht entgegenstehen, soweit das Gesetz hierfür allein an den Erbfall anknüpft. Diese Ansicht trifft zu.

Bei der Anwendung von Verjährungsvorschriften kommt dem Wortlaut des Gesetzes besondere Bedeutung zu. Dem Verjährungsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass gewisse tatsächliche Zustände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht mehr in Frage gestellt werden sollen. Daher ist es grundsätzlich geboten, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten. Nach dem eindeutigen hier einschlägigen Gesetzeswortlaut kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist des dem Abkömmling zustehenden Pflichtteilsergänzungsanspruchs allein auf den Zeitpunkt des Erbfalles an und nicht auf die – gegebenenfalls rückwirkende – Entstehung dieses Anspruchs gegen den Beschenkten.

Aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung ergibt sich nichts anderes. Dasselbe gilt für Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die sich aus den Gesetzesmaterialien ergeben. Sinn und Zweck ist es, dem Beschenkten bald Klarheit zu verschaffen, ob er das Geschenk behalten darf oder an den Pflichtteilsberechtigten herausgeben muss. Dies spricht dafür, dass nur auf das Datum des Erbfalls und nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der postmortalen Vaterschaftsfeststellung abzustellen ist. Ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns auf möglicherweise unabsehbare Zeit liefe auf eine Umkehr der gesetzlichen Wertung hinaus. Der beschenkte Dritte oder Miterbe hat ein berechtigtes Interesse daran, dass er ohne Rücksicht auf den Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten nach kurzer Frist sicher sein kann, das Geschenk nicht wieder herausgeben zu müssen. Dieses Interesse besteht unabhängig davon, ob dem Pflichtteilsberechtigten der Erbfall, die Schenkung oder aber seine leibliche Abstammung vom Erblasser unbekannt geblieben ist.

Auch eine Hemmung der Verjährungsfrist bis zur rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des Erblassers hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt. Es verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht, dass bei postmortaler Vaterschaftsfeststellung gleichwohl für den Beginn der Verjährungsfrist auf das Datum des Erbfalls abgestellt wird (wird näher ausgeführt).

Durch die gesetzliche Verjährungsregelung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch werden nichteheliche Kinder auch nicht im Verhältnis zu ehelichen Kindern schlechter gestellt. Auch eheliche Kinder müssen ihnen gegen vom Erblasser Beschenkte zustehende Pflichtteilsergänzungsansprüche innerhalb von drei Jahren nach dem Erbfall geltend machen.

Soweit ein nichteheliches Kind erst nach Ablauf der Verjährungsfrist von den für die Vaterschaft des Erblassers sprechenden Umständen Kenntnis erlangt und erst dann die Vaterschaftsfeststellung beantragt, ist es allerdings im Verhältnis zu ehelichen Kindern und auch zu nichtehelichen Kindern, deren Abstammung vom Erblasser bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Erbfall rechtskräftig festgestellt wurde, mittelbar benachteiligt.

Eine solche Ungleichbehandlung ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nicht an die Ehelichkeit bzw. Nichtehelichkeit anknüpfen. Denn der Verjährungsregelung liegt das Interesse des vom Erblassers noch zu dessen Lebzeiten Beschenkten an Rechtssicherheit zugrunde, das unabhängig davon besteht, wann die Abstammung des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings vom Erblasser festgestellt wird. Der Beschenkte muss nach einem überschaubaren Zeitraum Klarheit darüber haben, ob er das Geschenk an einen Pflichtteilsberechtigten herauszugeben hat oder nicht, zumal seine Haftung nicht auf den Nachlass begrenzt ist. Müsste er auf unabsehbare Zeit damit rechnen, von einem Jahre nach dem Erbfall als Kind des Erblassers festgestellten Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen zu werden, liefe das dem der Verjährung zugrunde liegenden Prinzip der Rechtssicherheit sowie dem Interesse an der Herstellung von Rechtsfrieden zuwider. Diesen Belangen gebührt bei der erforderlichen Abwägung gegenüber dem Interesse des nichtehelichen Kindes an einem Aufschub des Verjährungsbeginns bis zur Rechtskraft der Vaterschaftsfeststellung der Vorzug.

 

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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