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Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten als Einzeltestament bei Fälschung der Unterschrift des anderen Ehegatten

|   Newsletter 03/2019

(Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 14.12.2018 – 8 W 241/17 -)

Leitsatz:

  1. Ein nur von einem Ehegatten niedergeschriebenes und unterschriebenes – mithin unvollständiges – gemeinschaftliches Testament kann als Einzeltestament auch dann wirksam sein, wenn der testierende Ehegatte die Unterschrift des anderen Ehegatten gefälscht hat. Für die Abgrenzung zwischen wirksamer einseitiger Verfügung und gescheitertem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auf den Willen der Person abzustellen, die das Dokument erstellt hat. Wollte diese die in dem Dokument enthaltenen Anordnungen auch als einseitige Verfügungen von Todes wegen treffen, sind sie wirksam.
  2. Zur Zulässigkeit der einseitigen Abänderung einer Verfügung im Erbvertrag, der es dem überlebenden Vertragspartner gestattet, "nach dem Ableben" des zuerst Sterbenden beliebig anderweitig zu verfügen, zu Lebzeiten beider Vertragspartner.

Sachverhalt

Die am Erbscheinverfahren beteiligten Personen waren Angehörige des im Jahre 2016 verstorbenen Erblassers und seiner im Jahre 2015 vorverstorbenen Ehefrau. Die Eheleute hatten keine eigenen Kinder.

Die Ehegatten hatten im Jahre 1967 einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Für den Fall, dass keine gemeinsamen Abkömmlinge vorhanden sein würden, berief der länger lebende Ehegatte jeweils zur Hälfte die Abkömmlinge der Geschwister des Ehemannes und die Abkömmlinge der Geschwister der Ehefrau zu seinen Erben. Darüber hinaus enthielt der Erbvertrag in § 4 folgende Regelung:

"Dem überlebenden Gatten ist es gestattet, nach dem Ableben des zuerst sterbenden Gatten die Erbeinsetzung bezüglich seiner eigenen Verwandten beliebig zu ändern, zu widerrufen und bezüglich dieser Hälfte seines Nachlasses anderweitig letztwillig zu verfügen."

Beim Nachlassgericht wurde ein weiteres, als "gemeinschaftliches Testament" überschriebenes Schriftstück eingereicht, das handschriftlich in Druckschrift erstellt wurde und auf den 01.07.2012 datiert war. Das Schriftstück hatte auszugsweise folgenden Wortlaut (Schreibfehler auch im Original):

"Wir (…) setzen uns gegenseitig zu unbeschreiben und unbeschrändten Alleinerben ein
der überlebende Ehegatte setzt zu seinem unbeschrängten allein Erben…. ein, wohnhaft…."

Die Unterschriften lauten "H. …." und "G. .…", wobei die Initialen der Vornamen jeweils in Druckschrift, der Familienname jeweils in Sütterlinschrift ausgeführt ist.

Aufgrund von Zweifeln an der Eigenhändigkeit des Textes bzw. der Unterschriften in diesem Schriftstück holte das Nachlassgericht ein Sachverständigengutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der zuletzt verstorbene Ehemann als Ersteller des Textes und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Ersteller beider Unterschriften anzusehen sei.

Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten verschiedene Argumente dafür vorgebracht, dass der Text des Schriftstücks vom 01.07.2012 von einer dritten Person geschrieben worden sein müsse. Ferner machten sie geltend, dass eine abweichende Verfügung dem Erblasser im Hinblick auf § 4 des notariellen Erbvertrages zu Lebzeiten seiner Ehefrau nicht gestattet gewesen sei. Das auf den 01.07.2012 datierte Dokument sei daher insgesamt ungültig.

Eine der Beteiligten hat in erster Instanz zuletzt beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erbin zu 1/2 ausweist. Gegen den Widerspruch anderer Beteiligter hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins als festgestellt erachtet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der anderen Beteiligten hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung hat das OLG Stuttgart im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beschwerde sei unbegründet, weil die antragstellende Beteiligte zu 3) aufgrund des auf den 01.07.2012 datierten Testaments Erbin zu 1/2 geworden sei. Zwar sei dieses als "gemeinschaftliches Testament" überschriebene Schriftstück als solches formunwirksam, weil es nach dem Ergebnis des in erster Instanz eingeholten Schriftsachverständigengutachtens nicht von beiden Ehegatten unterschrieben worden sei. Zu Recht habe das Nachlassgericht jedoch geprüft, ob das Testament im Wege der Umdeutung als Einzeltestament des Ehemannes Gültigkeit habe. Eine solche Umdeutung (§ 140 BGB) eines unvollständigen gemeinschaftlichen Testaments sei grundsätzlich möglich.

Im konkreten Fall seien die formellen Anforderungen an ein handschriftliches Testament des zuletzt verstorbenen Ehemannes erfüllt. Denn es stehe nach dem Sachverständigengutachten fest, dass er es selbst geschrieben und unterschrieben habe. Zwar habe der Erblasser nicht mit seinem vollständigen Vornamen unterschrieben. Nach dem Gesetz reiche eine Unterschrift in anderer Weise jedoch aus, wenn dies zur Feststellung von Urheberschaft und Ernstlichkeit ausreiche, was hier der Fall sei.

Auch inhaltliche Bedenken stünden der vom Nachlassgericht vorgenommenen Umdeutung nicht entgegen. Für die Abgrenzung zwischen wirksamer einseitiger Verfügung und gescheitertem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments sei auf den Willen der Person abzustellen, die das Dokument erstellt hat. Wollte diese die in dem Dokument enthaltenen Anordnungen auch als einseitige Verfügungen von Todes wegen, seien sie wirksam. Dass im konkreten Fall der Erblasser seine Erklärung auf jeden Fall – unabhängig von der Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments – habe wirksam abgeben wollen, ergebe sich für den Senat schon daraus, dass er das Dokument nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Ermittlungen vollständig selbst erstellt habe, so dass ihm klar sein musste, dass es sich um eine nur von ihm stammende Verfügung von Todes wegen handelte und es eine korrespondierende Erklärung seiner Ehefrau weder gab noch geben würde.

Durch § 4 des notariellen Erbvertrages aus dem Jahre 1967 sei der Ehemann als zuletzt verstorbener Erblasser nicht an einer teilweise vom notariellen Erbvertrag abweichenden Regelung gehindert gewesen. Der Erbvertrag enthielt eine Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen. Bedacht werden sollten für den Fall der Kinderlosigkeit der Ehegatten die Angehörigen des Erblassers einerseits und die seiner Ehefrau andererseits jeweils zur Hälfte, und dies unabhängig davon, welcher der Ehegatten zuerst versterben würde. Damit hätten die Ehegatten sicherstellen wollen, dass die Hälfte des Nachlasses nach dem Letztversterbenden an die vom zuerst verstorbenen Ehegatten ausgewählten Personen fließt, während es dem anderen Ehegatten unbenommen bleiben sollte, für "seine" Hälfte gegebenenfalls eine andere Person zu benennen.

Genau dies – die Änderung der Schlusserbeneinsetzung für "seine" Hälfte – sei das Ergebnis der Umdeutung, die der Erblasser auch durch Einzeltestament habe herbeiführen dürfen. Vertragsmäßig Bedachte i. S. v. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB seien aus seiner Sicht die von seiner Ehefrau für ihre Hälfte benannten Schlusserben und nicht die Schlusserben, die er selbst – für seine Hälfte – benannt hatte.

Somit habe der Erblasser der Beteiligten zu 3) das zuwenden wollen, was er ihr nach der ihm erbvertraglich eingeräumten Änderungsbefugnis zuwenden konnte, nämlich nur "seine" Hälfte vom Schlussnachlass, während die Zuwendung der anderen Hälfte daran scheiterte, dass die Ehefrau des Erblassers das gemeinschaftliche Testament nicht unterschrieben und auch nicht sonst in dieser Weise letztwillig verfügt habe.

Diesem Ergebnis stehe auch nicht der Wortlaut von § 4 des notariellen Erbvertrages entgegen, auch wenn die Ehefrau des Erblassers zum Zeitpunkt der Erstellung des Schriftstücks vom 01.07.2012 noch gelebt habe. Denn die Regelung in § 4 des notariellen Erbvertrages habe den zuletzt verstorbenen Erblasser auch an einer Änderung zu Lebzeiten seiner Ehefrau nicht gehindert, wenn und soweit diese nur die Schlusserbeneinsetzung auf seiner Seite betraf. Die im notariellen Erbvertrag enthaltene Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen sei nur insoweit vertragsmäßig und damit bindend gewesen, als gewährleistet werden sollte, dass die Hälfte des Nachlasses, die gemäß Erbvertrag der jeweils andere seiner Familie zugewandt hatte, nur einer Änderung durch ihn selbst zugänglich sein sollte. Darüber hinaus jedoch, insbesondere also hinsichtlich der Frage, wie der Letztversterbende mit "seiner" Hälfte verfuhr, habe es sich nicht um vertragsmäßige und bindende Verfügungen gehandelt, sondern um einseitige, die nach den allgemeinen Vorschriften für letztwillige Verfügungen änderbar sein sollten. Die Formulierung in § 4 des notariellen Erbvertrages "nach dem Ableben" sei somit nicht als zeitliche Beschränkung (im Sinne von "erst und nur nach dem Ableben") zu verstehen, sondern als Zuschreibung einer zusätzlichen und nicht für selbstverständlich gehaltenen Änderungsbefugnis (im Sinne von "sogar nach dem Ableben").

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