Detail

Zu den Anforderungen an eine eigenhändige Unterschrift auf einem privatschriftlichen Testament

|   Erbrecht

(OLG Naumburg, Beschluss vom 20.07.2021 – AZ: 2 Wx 55/20 -, ErbR 2022, 223 – 224)

Leitsatz

Eine eigenhändige Unterschrift unter einem Testament im Sinne von § 2247 Abs. 1 Satz 1 BGB muss räumlich so zu der letztwilligen Verfügung stehen, dass diese von ihr gedeckt ist. Diese für die Wirksamkeit des Testaments notwendige und unverzichtbare Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn sich die zeitgleich zur Errichtung des Testamentstextes geleistete Unterschrift auf einem anderen Blatt Papier befindet, welches weder körperlich mit dem Testament verbunden ist noch aus den Umständen des Einzelfalls ohne Weiteres als äußere Fortsetzung und Abschluss der Testamentsurkunde verstanden werden kann.

Sachverhalt

Die Erblasserin hatte ein notariell beurkundetes Testament vom 13.12.2019 errichtet und in amtliche Verwahrung gegeben. Dieses Testament wurde am 08.10.2019 an die Erblasserin auf deren Antrag herausgegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass das Testament durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gilt.

Die Erblasserin verfasste am 08.10.2019 handschriftlich ein Schriftstück mit folgendem Inhalt:

„Testament

Hiermit hebe ich alle Verfügungen von Todes wegen auf und testiere wie folgt neu:

Ich setze als meine Erbin die deutsche Krebshilfe für Kinder ein. In jedem Fall enterbe ich meine Tochter und meinen Enkel S. V.

D., den 8.10.2019“

Das Schriftstück ist nicht unterzeichnet.

Das Amtsgericht-Nachlassgericht Merseburg hat nach der Anzeige des Todesfalls durch die Tochter der Erblasserin aus deren erster Ehe das vorstehend genannte Schriftstück als Testament eröffnet mit dem Hinweis, dass mit der Eröffnung keine Klärung der Wirksamkeit des Testaments verbunden sei.

Am 26.05.2020 hat die ersteheliche Tochter die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher sie als Alleinerbin ausweist; sie hat sich dabei auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge berufen. Die am Verfahren beteiligte Deutsche Krebshilfe für Kinder ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Herausgabe des notariellen Testaments als Begleitschreiben zu dem handschriftlichen Testament anzusehen sei und deswegen das handschriftliche Testament als eigenhändig unterschrieben anzusehen sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.09.2020 mitgeteilt, es beabsichtige, den Erbscheinsantrag der Tochter zurückzuweisen. Dies wurde darauf gestützt, dass die Erblasserin am Tage der Abfassung des handschriftlichen Testaments ein weiteres Schreiben verfasst habe, mit dem sie die Herausgabe des in amtlicher Verwahrung befindlichen notariellen Testaments und „offensichtlich“ die Entgegennahme des neuen handschriftlichen Testaments begehrt habe. Aus dem Gesamtzusammenhang beider Schriftstücke sei auf eine wirksame Testamentserrichtung gemäß § 2247 BGB zu schließen.

Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde der Tochter. Diese hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe des OLG Naumburg

Die Ansicht der Tochter, die Erblasserin sei im Wege der gesetzlichen Erbfolge von ihrer Tochter beerbt worden, ist zutreffend. Das Nachlassgericht geht zu Unrecht davon aus, dass die gesetzliche Erbfolge durch wirksame Errichtung eines Testaments ausgeschlossen worden sei.

Das notariell beurkundete Testament der Erblasserin wurde gemäß § 2256 Abs. 1 BGB durch die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung wirksam widerrufen.

Das handschriftliche Testament vom 08.10.2019 wurde nicht wirksam errichtet.

Die Unterschrift des Erblassers unter sein eigenhändiges Testament ist eine notwendige und unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung, weil nur sie die Ernstlichkeit und die abschließende Willensbildung des Erblassers garantiert.

Die Urkunde vom 08.10.2019 ist entgegen der Vorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB von der Erblasserin nicht unterschrieben und deshalb nichtig, auch wenn an der Urheberschaft der Erblasserin kein Zweifel besteht. Der Unterschrift unter ihrem handschriftlichen Antrag an das Nachlassgericht vom 08.10.2019 auf Herausgabe des notariellen Testaments kommt keine rechtliche Bedeutung für die Errichtung des handschriftlichen Testaments vom selben Tage zu. Dies folgt daraus, dass sich hier die Unterschrift der Erblasserin auf einem anderen Blatt Papier, nämlich dem Herausgabeantrag an das Nachlassgericht, befindet und damit den auf einem anderen Blatt Papier befindlichen Text des handschriftlichen Testaments vom 08.10.2019 entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht deckt. Beide Schriftstücke vom 08.10.2019 sind auch nicht körperlich miteinander verbunden.

Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts besteht auch kein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Schriftstücken vom 08.10.2019. Dies käme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn dem Begleitschreiben keine eigenständige Bedeutung zukäme. Dies ist aber hier der Fall, weil der Herausgabeantrag an das Nachlassgericht einen eigenständigen Erklärungswert hat, was einen inneren Zusammenhang zwischen beiden Schriftstücken ausschließt. Gegen einen solchen spricht es auch, dass die Erblasserin in ihrem zur Niederschrift des Nachlassgerichts am 08.10.2019 gestellten Herausgabeantrag nicht etwa Bezug auf ein neu errichtetes Testament genommen und auch nicht die amtliche Verwahrung eines solchen beantragt hat.

Zurück