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Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal im Erbschaftsteuerrecht (BFH, Urteil vom 01.09.2021 – AZ: II R 8/20 - ZErb 2022, S. 438 – 441)

|   Erbrecht

Leitsatz

  1. Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) können auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Grabstätte nur als vorübergehende Ruhestätte des Verstorbenen bestimmt war.
  2. Die Angemessenheit eines Grabdenkmals richtet sich neben dem Umfang des Nachlasses nach der Lebensstellung des Erblassers. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört.

Sachverhalt

Der Kläger ist aufgrund gesetzlicher Erbfolge der Alleinerbe seines im Jahre 2017 verstorbenen Bruders (Erblasser). Beide sind muslimischen Glaubens. Die Bestattung des Erblassers fand im Februar 2017 statt. Die vom Kläger getragenen Kosten für das Grabdenkmal dieser Bestattung betrugen 9.300,00 €.

Der Beklagte (Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 16.01.2019 Erbschaftsteuer fest, wobei der Bescheid hinsichtlich der Erbfallkosten vorläufig erging, und zwar insbesondere hinsichtlich der Kosten für ein Grabdenkmal, da der Kläger voraussichtliche Kosten für ein noch zu errichtendes Mausoleum geltend gemacht hatte.

Im Rahmen des Einspruchverfahrens, in dem der Kläger unter Vorlage eines Bauvertrages vom März 2019 für die Errichtung eines Mausoleums 420.000,00 € als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen wollte, setzte das Finanzamt (im Folgenden "FA") die Erbschaftsteuer herab, weil es erstmals Kosten für ein Grabdenkmal in Höhe von 9.300,00 € als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zuließ. Die Kosten für das Mausoleum berücksichtigte es nicht.

 

Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das Finanzgericht (im Folgenden "FG“) als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, die Kosten einer Zweitgrabstätte – des Mausoleums – seien nicht abzugsfähig, da der Erblasser bereits zeitnah nach seinem Tod bestattet worden sei. Außerdem seien diese Kosten nicht angemessen im Vergleich zur Höhe des Nachlasses. Grundsätzlich seien nur die Kosten einer Erstanlage der Grabstätte abzugsfähig.

Mit seiner Revision gegen diese Entscheidung machte der Kläger die Verletzung von § 10 Abs. 5 ErbStG sowie der Religionsfreiheit (Art. 4 GG, Art. 9 Abs. 1 EMRK und Art. 10 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 und Art. 22 EU-Grundrechtecharta) geltend. Außerdem rügte er die Verletzung rechtlichen Gehörs. Zwischen ihm und dem Erblasser habe schon zu dessen Lebzeiten die vertragliche Vereinbarung bestanden, dass er dem Erblasser nach dessen Tod gegen Entgelt aus dem Nachlassvermögen ein Mausoleum errichten werde. Im Übrigen habe es sich bei der zeitlich ersten Bestattung nur um einen notwendigen Zwischenschritt und nicht um die geplante Erstanlage der letzten Ruhestätte des Erblassers entsprechend dessen Willen gehandelt.

Entscheidungsgründe des BFH

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz und zur Zurückweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass in jedem Fall nur die Kosten für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zum Abzug zuzulassen sind.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gilt als Bereicherung des Erben der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung unterliegt, die nach § 20 Abs. 3 - 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Abzugsfähig sind die vom Erblasser herrührenden Schulden. Dies sind nur die aus Rechtsgründen bestehenden Erblasserschulden. Grundsätzlich kann auch eine aus einem Vertrag mit dem Erben resultierende Verbindlichkeit des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig sein. Ein solcher Vertrag kann auch ein noch zu Lebzeiten des Erblassers zwischen diesem und dem Erben abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag sein.

Die entsprechenden Verbindlichkeiten können jedoch nicht dadurch begründet werden, dass sich der Erbe erst auf den Tod des Erblassers zur Ausführung des Auftrags verpflichtet. Ein lediglich zweiseitiges Auftragsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben genügt nicht. Die Besorgung eines Geschäfts für einen anderen setzt nämlich voraus, dass ein entsprechender Fremdgeschäftsführungswille vorhanden ist. Dies ist nach dem Tod des Auftraggebers jedoch nicht der Fall, wenn der Erbe als Rechtsnachfolger des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer personenidentisch ist und keine Tätigkeit im fremden Interesse mehr ausübt.

Leistungen des Erben, die dieser auf Grund einer von ihm angenommenen moralischen Verpflichtung erbringt, sind nicht gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar.

Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind u. a. Verbindlichkeiten aus Auflagen als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Die Auflage muss aber eine rechtliche Verpflichtung des Erben begründen. Dies setzt bei einseitigen letztwilligen Verfügungen insbesondere die Wahrung der Form nach § 2231 BGB voraus. Mündliche Anordnungen genügen auch erbschaftsteuerrechtlich nicht.

Schließlich sind gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig u. a. die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal. Dazu können auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Ruhestätte nur als vorübergehende Grabstätte des Erblassers bestimmt war.

 

Grundsätzlich gehören zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal nur die Aufwendungen für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal. Denn der Beerdigungsakt findet seinen Abschluss mit der Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte. Allerdings sind Konstellationen denkbar, in denen entweder aufgrund der äußeren Umstände oder auf Grund des insofern maßgeblichen Willens des Verstorbenen hinsichtlich der Art und Weise seiner Bestattung und des Ortes der letzten Ruhestätte der Verstorbene zunächst in einem Grab bestattet wird, das lediglich eine provisorische Zwischenlösung darstellt, und im Anschluss Kosten für eine zweite Grabstätte entstehen, in der der Tote die nach seinen Vorstellungen letzte Ruhe findet. Voraussetzung ist jedoch, dass bereits bei Errichtung des ersten Grabdenkmals dieses offensichtlich nur als provisorische Übergangslösung angelegt war. Für diese ihn steuerlich begünstigende Ausnahme trägt der Erbe die Darlegungs- und Feststellungslast.

Außerdem sind nur die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal abzugsfähig. Die Entscheidung, ob diese Voraussetzung vorliegt, obliegt dem Finanzamt und dem FG unter Würdigung aller Tatsachen im Einzelfall.

Zur Beurteilung der Angemessenheit eines Grabdenkmals ist grundsätzlich auf die Lebensstellung des Erblassers abzustellen. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört. Ergibt die Würdigung im Einzelfall, dass die nachgewiesenen Kosten für ein Grabdenkmal die Angemessenheit übersteigen, ist der Abzug auf den Teil beschränkt, der den angemessenen Kosten entspricht. Diese Maßstäbe respektieren die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit. Sie tragen sowohl aus religiösen Gründen erforderlichen Umbettungen als auch entsprechenden Ausgestaltungen des Grabdenkmals Rechnung.

Die angefochtene Entscheidung des FG ist aufzuheben, weil das FG von abweichenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist nicht spruchreif, da der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen vermag, ob sich das Urteil dennoch im Ergebnis als richtig erweist.

Das FG hat zwar zu Recht erkannt, dass sich aus dem vom Kläger abgeschlossenen Vertrag zur Errichtung des Mausoleums keine Verpflichtung i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ergibt. Denn der Vertrag wurde erst ca. zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers geschlossen. Die aus ihm resultierenden Verbindlichkeiten rühren nicht mehr vom Erblasser her. Ebenso hat das FG zu Recht entschieden, dass eine Auflage mangels rechtlicher Verpflichtung des Klägers durch (rechtswirksames) Testament nicht bestanden hat, da der Erblasser seinen Wunsch nach eigenem Vortrag des Klägers allein mündlich geäußert hat.

Allein der Umstand jedoch, dass bereits ein Grabdenkmal errichtet war, schließt die Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein zeitlich nachfolgend errichtetes Grabdenkmal nicht zwingend aus. Auch hat das FG bei der Angemessenheitsprüfung zu Unrecht allein auf das Nachlassvermögen abgestellt. Eine Begrenzung auf den angemessenen Teil der Kosten hat es nicht vorgenommen.

Mangels entsprechender Feststellungen kann der BFH nicht abschließend über die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal entscheiden. Daher ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im Rahmen des zweiten Rechtsgangs wird das FG festzustellen haben, ob dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kosten einer Zweitgrabstätte vorliegen, insbesondere ob sich die Erstgrabstätte lediglich als provisorische Zwischenlösung dargestellt hat. Ferner müssen ausreichende Nachweise für die tatsächliche Errichtung des zweiten Grabdenkmals sowie die Zahlung der behaupteten Aufwendungen vorliegen. Sollten diese Voraussetzungen zu bejahen sein, ist über die Angemessenheit des Aufwands für die Zweitgrabstätte und gegebenenfalls die Reduktion der Kosten auf ein angemessenes Maß zu befinden.

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