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Zum Recht auf Entziehung des Pflichtteils

|   Erbrecht

(LG Saarbrücken, Urteil vom 15.02.2017 – AZ: 16 O 210/13 -, ErbR 2017, 579-583 / rechtskräftig)

Orientierungssatz

1)
Ein Schuss mit einer Schreckschusspistole ins Gesicht des Stiefvaters berechtigt die Mutter zur Pflichtteilsentziehung.

2)
Zu den Voraussetzungen einer Verzeihung gemäß § 2337 BGB

 
Sachverhalt

Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses der im Jahre 2011 verstorbenen Erblasserin, seiner Mutter. Auch der Beklagte zu 1) ist ein Kind der Erblasserin, der Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) sind durch Testament der Erblasserin eingesetzte Miterben zu je 1/3.

Mit notarieller Urkunde aus dem Jahre 1991 hat die Erblasserin den Kläger von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm darüber hinaus den Pflichtteil entzogen. Die Gründe für die Pflichtteilsentziehung werden in der notariellen Urkunde ausführlich geschildert. U. a. geht es dabei um einen Vorfall am 21.08.1991. Nach Schilderung der Erblasserin drang der Kläger damals in die untere Wohnung im Hause der Erblasserin ein und erklärte der Bewohnerin dieser Wohnung, er wolle die Erblasserin umbringen. Er habe die Bewohnerin dann mit der Waffe im Rücken gezwungen, die Treppe hinauf zu gehen. Im Obergeschoss habe er den (zweiten) Ehemann der Erblasserin überfallen und ihm mit der Waffe, einer Schreckschusspistole, ins Gesicht geschossen. Dieser Vorfall sei bei der zuständigen Polizeistation aufgenommen worden. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren werde eingeleitet.

Der Kläger hat Einzelheiten der Darstellung der Erblasserin in der notariellen Urkunde bestritten, den Kernsachverhalt jedoch eingeräumt, insbesondere nicht bestritten, im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit seinem Stiefvater am 21.08.1991 mit einer Sportluftpistole geschossen zu haben. Im Übrigen hat er sich darauf berufen, die Erblasserin habe ihm im Sinne von. § 2337 BGB verziehen.

Entscheidungsgründe des LG Saarbrücken

Das Gericht sieht aufgrund der Schilderungen der Erblasserin in der notariellen Urkunde von 1991 Pflichtteilsentziehungsgründe gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB als gegeben an. Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder den Ehegatten des Erblassers schuldig gemacht hat.

Für die von ihm geltend gemachte Verzeihung, die nach § 2337 BGB zum Erlöschen des Rechts zur Pflichtteilsentziehung führt, habe der insoweit beweispflichtige Kläger den erforderlichen Beweis nicht geführt.

Soweit der Kläger behauptet, die Erblasserin habe ihm durch den Beklagten zu 1) Geld und Präsentkörbe zukommen lassen, wird dies durch den Beklagten zu 1) nicht bestätigt.

Auch der Umstand, dass die Erblasserin nach Angaben zweier vom Kläger benannter Zeugen zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen oder Weihnachten Grußkarten geschickt oder mit dem Kläger telefoniert oder sich nach dessen Herzinfarkt bei dessen Vater, dem geschiedenen Ehemann der Erblasserin, nach seinem gesundheitlichen Zustand erkundigt haben soll, reicht für eine Verzeihung im Sinne des § 3337 BGB nicht aus. Denn nach den Angaben der vom Kläger als Zeugin benannten Lebensgefährtin des Klägers sollen auf den behaupteten Postkarten der Erblasserin Formulierungen wie "Schöne Weihnachtsgrüße" und „was man halt so schreibt" verwendet worden sein. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Erblasserin nach den geschilderten gravierenden Störungen im Eltern-Kind-Verhältnis ihre Verzeihung in Form unpersönlicher, in Floskeln gehaltener Postkarten und gelegentlichen Telefonaten zu besonderen Anlässen habe ausdrücken wollen. Zwar könne bei der Erblasserin ab dem Jahre 2001, also 10 Jahre nach den in der notariellen Urkunde aufgeführten Vorfällen, das Kränkungsempfinden nachgelassen haben und sie zu einem höflichen Verhalten unter Wahrung der äußeren Form gegenüber dem Kläger übergegangen sein. Aus höflichem Verhalten und Wahrung der äußeren Form kann eine Verzeihung jedoch nicht abgeleitet werden. Besonderes Gewicht habe die Tatsache, dass es unstreitig seit den Vorfällen in den 90er-Jahren bis zum Tod der Erblasserin im Jahre 2011 nie mehr zu einem  persönlichen Treffen zwischen dem Kläger und seiner Mutter, der Erblasserin gekommen ist, bei welchem die schwerwiegenden Differenzen hätten aufgearbeitet werden können.

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