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Zum Umfang der Pflicht des Erben zum persönlichen Erscheinen vor dem beauftragten Notar bei Verurteilung zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses

|   Erbrecht

(BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – AZ: I ZB 109/17 -, ErbR 2019, 92-95)

Leitsatz (Auszug)

  1. Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, lässt sich nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgeblich sind danach jeweils die Umstände des Einzelfalls.
  2. Ist der Erbe beim Notar persönlich erschienen und hat er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, hat er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und ist nicht verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin, bei dem der Auskunftsberechtigte anwesend ist, erneut zu erscheinen.

Sachverhalt

Die nichteheliche Tochter des im Juni 2014 verstorbenen Erblassers machte gegen dessen Witwe und Vorerbin  ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Sie erwirkte ein Urteil, mit dem die Beklagte zur Erteilung der Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme die Klägerin hinzugezogen wird, verurteilt wurde. Der beauftragte Notar setzte mehrere Termine zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses an, zu denen von ihm jeweils beide Parteien geladen wurden. Die Beklagte erschien an keinem dieser Termine. Sie suchte aber zusammen mit ihrem Bevollmächtigten den Notar am 22.02.2017 auf und legte ihm dabei umfangreiche Unterlagen vor. Der Notar übermittelte beiden Parteien seinen Entwurf des Nachlassverzeichnisses und gewährte eine Frist von einem Monat zur Stellungnahme, die am 28.04.2017 ablief.

Mit Beschluss vom 13.04.2017 setzte das Landgericht auf Antrag der Klägerin gegen die Beklagte zur Erzwingung der Auskunft ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten wurde vom Beschwerdegericht mit Beschluss vom 02.06.2017 zurückgewiesen. Das Zwangsgeld wurde von der Beklagten am 08.08.2017 gezahlt. Schon vorher, am 15.05.2017 hatte die Klägerin erneut die Festsetzung eines Zwangsgeldes beantragt; diesem Antrag gab das Landgericht mit Beschluss vom 25.07.2017 statt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendete die Beklagte ein, der Notar habe bereits am 01.06.2017 sein Nachlassverzeichnis aufgenommen und der Klägerin am 17.06.2017 zugeleitet. Daraufhin hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 02.11.2017 unter Aufhebung des (zweiten) Zwangsgeldbeschluss vom 25.07.2017 den Antrag der Klägerin auf erneute Festsetzung von Zwangsmitteln zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe durch Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 01.06.2017 die titulierte Verpflichtung erfüllt. Dieses Verzeichnis sei nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte zu keinem der von dem Notar anberaumten Termine, zu denen beide Parteien geladen waren, erschienen sei.

Entscheidungsgründe des BGH

Die hiergegen zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Mit Recht habe das Beschwerdegericht entschieden - so der BGH -, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung der Erfüllungseinwand des Schuldners zu beachten sei und die Beklagte den titulierten Auskunftsanspruch erfüllt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte weder bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses am 01.06.2017 noch bei einem der früheren vom Notar angesetzten Termine, zu denen beide Parteien geladen waren, persönlich anwesend gewesen sei. Allerdings sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die persönliche Anwesenheit des Auskunftspflichtigen bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses erforderlich sei. Nach einer Ansicht sei dies grundsätzlich der Fall und eine Vertretung des Auskunftsschuldners im Regelfall ausgeschlossen, weil die geschuldete Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskünfte nur durch die dem Notar gegenüber dem Auskunftsschuldner obliegenden Belehrungen und Rückfragen gewährleistet sei. Nach der Gegenansicht reiche es aus, dass sich der Notar durch einen Dritten über den Bestand des Nachlasses unterrichten lasse. Häufig sei der Verpflichtete alters- oder krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Auskunft persönlich zu erteilen, während eine Person seines Vertrauens dazu unschwer in der Lage sei. Der Notar dürfe in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bestimmen, wen er im Einzelfall als Auskunftsperson zuziehe.

Der BGH schließt sich keiner dieser beiden Ansichten uneingeschränkt an, sondern hebt hervor, dass sich die Frage, ob der Auskunftsschuldner vor dem Notar persönlich zu erscheinen habe, nicht allgemein beantworten lasse. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richte sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich sei. Maßgeblich seien daher jeweils die Umstände des Einzelfalles.

Dabei verweist der BGH auf den gesetzgeberischen Zweck des § 2314 BGB, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Das notarielle Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das Privatverzeichnis des Pflichtteilsschuldners bieten. Dementsprechend müsse der Notar den Bestand des Nachlasses, zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehend, selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. In der Ausgestaltung des Verfahrens sei er dabei weitgehend frei; er müsse aber diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (OLG Saarbrücken v. 28.01.2011 - 5 W 312/10; OLG Koblenz v. 18.03.2014 - 2 W 495/13).

Zwar ergebe sich aus dem Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB keine Verpflichtung des Erben hinsichtlich des persönlichen Erscheinens vor dem beauftragten Notar. Dieser sei jedoch im Regelfall auf Angaben des Erben angewiesen. Hierfür müsse der Notar den Erben grundsätzlich persönlich befragen und ihn dabei auf die Pflicht zur Erteilung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben hinweisen. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der in § 2314 Abs. 1 BGB geregelten Auskunftspflicht.

Ist jedoch der Erbe - wie im konkreten Fall, in dem es einen persönlichen Kontakt zwischen der Erbin und dem Notar gegeben hat - beim Notar persönlich erschienen und hat dabei Angaben zum Nachlass gemacht, habe er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und sei nicht verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin, in dem der Auskunftsberechtigte anwesend ist, erneut zu erscheinen. Auch sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die unterbliebene persönliche Teilnahme der Schuldnerin an dem Termin, in dem letztlich die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses erfolgt sei, sich nachteilig auf die inhaltliche Richtigkeit des Verzeichnisses ausgewirkt haben könnte.

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