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Zur Auslegung eines Ehegattentestaments, das nur die Formulierung enthält, die Vererbung solle durch Berliner Testament erfolgen.

|   Erbrecht

(OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022 – AZ: 6 W 77/22 - ErbR 2023, S. 135 – 138)

Leitsatz

Ungeachtet des nicht eindeutigen Inhalts des Begriffs "Berliner Testament" kann die Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament, man wolle den "Restbesitz durch ein Berliner Testament vererben", dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben und die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben beim Tod des überlebenden Ehegatten einsetzen, wenn sich die Eheleute vorher rechtlich hatten beraten lassen und ein Notar ihnen einen Entwurf übersandt hatte, der die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbeinsetzung der Kinder zum Inhalt hatte.

Sachverhalt

Der 1948 geborene und im Jahre 2021 verstorbene Erblasser war mit der im Jahre 1953 geborenen Beteiligten zu 1) (Ehefrau) verheiratet. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen.

Der Erblasser und seine Ehefrau besprachen mit einem Notar die Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments. Der Notar übersandte ihnen mit Schreiben vom 11.01.2021 den Entwurf einer entsprechenden Urkunde. Dieser sah vor, dass die Eheleute sich gegenseitig zum alleinigen Vollerben des erstversterbenden Ehepartners einsetzen und sie ihre drei Söhne als Schlusserben zu gleichen Teilen bestimmen.

Mit eigenhändig geschriebener und unterschriebener Erklärung vom 11.02.2021, die die Ehefrau mitunterzeichnete, bestimmte der Ehemann:

"Wir wollen unseren Restbesitz durch ein Berliner Testament vererben.

Hochachtungsvoll"

Am 31.03.2021 verstarb der Ehemann. 

Entscheidungsgründe des OLG Celle

In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlich tätigen Amtsgericht hat das OLG Celle das Testament dahingehend ausgelegt, dass die Ehegatten sich gegenseitig als alleinige Vollerben eingesetzt und beim Tod des überlebenden Ehegatten die drei gemeinsamen Kinder als Schlusserben zu je 1/3 bestimmt haben.

Zwar fehle dem Schriftstück eine Überschrift wie etwa „Testament" o. Ä. und die Formulierung "Hochachtungsvoll" am Ende des Schriftstücks könnte darauf hindeuten, dass die Erklärung an den Notar hätte übersandt werden sollen, um mit ihm einen Termin für die Beurkundung zu vereinbaren.

Jedoch hat die Anhörung der Ehefrau durch das Amtsgericht ergeben, dass die Ehegatten den Willen hatten, durch diese Erklärung ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. Diese Erklärung der Ehefrau sei glaubhaft, auch wenn sie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse habe, da im Falle der gesetzlichen Erbfolge ihr Erbanteil nur 1/2 betragen würde.

Zwar beschränkte sich das Schriftstück auf den Begriff "Berliner Testament", ohne die Einzelheiten der gewollten Erbfolge anzugeben, sodass ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine wirksame Erbeinsetzung vorliegen würde.

Jedoch sind im Rahmen der erläuternden Testamentsauslegung zur Ermittlung des Inhalts der einzelnen Verfügungen der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen.

Als "Berliner Testament" wurde ursprünglich bezeichnet, wenn jeder Ehegatte den anderen als seinen Vorerben einsetzte, einen Dritten als seinen Nacherben und diesen zugleich für den Fall des eigenen Überlebens als seinen Ersatzerben, da diese Gestaltung im gemeinen und im preußischen Recht als vorherrschend galt. Heute wird diese Bezeichnung als Oberbegriff für Testamente nach § 2269 BGB verwendet. Allerdings erfordert § 2269 BGB nicht, dass Schlusserbe nur ein Abkömmling der Ehegatten sein kann. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass alle Abkömmlinge als Schlusserben in gleicher Weise bedacht werden müssen. Wegen der insoweit bestehenden Unklarheiten ergab sich die Notwendigkeit, für die Auslegung des Schriftstücks weitere Umstände außerhalb der Urkunde heranzuziehen.

Die Anhörung der Ehefrau ergab jedoch, dass sie und der Ehemann mit dem Begriff "Berliner Testament" das gemeint haben, was sie bei dem Notar besprochen hatten. Auch der Notar hat bei seiner Anhörung bestätigt, dass er den Eheleuten den Begriff "Berliner Testament" erläutert hat und dass er damit die Erbfolge gemeint hat, die sich aus dem von ihm übersandten Entwurf ergibt. Das OLG Celle hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute diese Beratung zum Berliner Testament missverstanden haben oder sie bis zur Errichtung des Schriftstücks vom 11.02.2021 ihren Entschluss zur gegenseitigen Erbeinsetzung und Schlusserbeneinsetzung ihrer drei Kinder geändert haben könnten. 

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