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Zur Auslegung eines Ehegattentestaments (Regelung für den Fall des gemeinsamen Todes)

|   Erbrecht

(OLG München, Beschluss vom 01.12.2021 – AZ: 31 Wx 314/19 – ErbR 2022, 246 – 249)

Leitsatz

  1. Zur Auslegung der von den Ehegatten – neben ihrer letztwilligen Verfügung der gegenseitigen Einsetzung als Alleinerben – verwendeten Klausel „Bei einem gemeinsamen Tode zB Unfall fällt der gesamte Nachlass an unsere Nichte (……).
  2. Eine solche Formulierung kann im Einzelfall auch die Auslegung ergeben, dass die Ehegatten nicht nur den Fall des gleichzeitigen Todes geregelt wissen wollten, sondern auch ein zeitliches Nacheinanderversterben unter der Voraussetzung, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Vorversterbenden nicht mehr in der Lage ist, eine (weitere) letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten.
  3. Eine Hinderung des überlebenden Ehegatten an der Errichtung einer (weiteren) letztwilligen Verfügung von Todes wegen kann auch darin liegen, dass er aufgrund einer dementiellen Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, eine letztwillige Verfügung zu treffen.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe des OLG München

Die Ehegatten waren in einziger kinderloser Ehe miteinander verheiratet. Der Ehemann verstarb zehn Tage vor der Ehefrau. Sie hinterließen nur ein einziges von beiden unterzeichnetes Testament vom 05.06.1992, das neben der wechselseitigen Einsetzung zu Alleinerben die in Leitsatz Nr. 1) wiedergegebene Formulierung für den Fall des gemeinsamen Todes enthielt. Wie durch die Ermittlungen des Nachlassgerichts festgestellt wurde, litt die Ehefrau nach dem Ergebnis eines im Betreuungsverfahren über sie eingeholten gerontopsychiatrischen Sachverständigengutachtens vom September 2015 bereits über vier Jahre vor ihrem Tod an einem hirnorganischen Psychosyndrom und einer senilen Demenz. An dieser Situation hatte sich bis zu ihrem Tod nichts geändert.

Daher kam auch das OLG München als Beschwerdegericht wie vorher das Nachlassgericht zu der Überzeugung, dass die Ehefrau in den wenigen Tagen nach dem Tod des Ehemannes nicht mehr in der Lage war, eine weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten. Unter diesen Umständen sah es das Gericht als gerechtfertigt an, die in Rede stehende Formulierung im Testament dahingehend auszulegen, dass sie nicht nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens gelten solle, sondern auch für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander versterben, der Längerlebende jedoch nicht mehr in der Lage ist, für den Fall seines eigenen Todes eine weitere letztwillige Verfügung zu treffen. Im Ergebnis hatte daher der Antrag der Nichte Erfolg, mit dem sie die Erteilung eines Erbscheins begehrte, der sie gegen den Widerspruch einer anderen gesetzlichen Erbin als Alleinerbin der Ehefrau ausweisen sollte.

​​​​​​​Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Justizrat Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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