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Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments bei kinderlosen Ehegatten

|   Erbrecht

(OLG Düsseldorf, Beschl. vom 11.12.2020 – Az: I-3 Wx 215/19 – ZErb 2022, S. 184-185)

Leitsatz

Bei der Verfügung von kinderlosen Eheleuten in einem gemeinschaftlichen Testament, bei welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tode des zuletzt verstorbenen Ehegatten die gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein sollen, verbietet sich die Auslegung als Einsetzung der beiderseitigen/ jeweiligen gesetzlichen Erben zweiter Ordnung zu gleichen Teilen als Schlusserben.

Sachverhalt

Der im Jahre 1926 geborene Erblasser und seine im Jahre 1930 geborene Ehefrau, die im Jahre 2017 vorverstorben ist, errichteten im Oktober 2011 privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Inhalt:

"Wir bestimmen gegenseitig, dass der Überlebende der Alleinerbe des Verstorbenen sein soll. Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein."

Beide Ehegatten hatten jedoch weder gemeinsame Kinder noch Abkömmlinge aus sonstigen Beziehungen.

Die Beteiligten des Erbscheinverfahrens sind Erben zweiter Ordnung. Die Beteiligten zu 4) und 5) haben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der alle Beteiligten zu verschiedenen Quoten als Miterben ausweisen sollte. Sie haben die Ansicht vertreten, gemeint hätten die Eheleute mit dem zweiten Satz ihrer letztwilligen Verfügung die beiderseitigen/jeweiligen gesetzlichen Erben. Daher seien diese als Schlusserben, die beiden Stämme zu gleichen Teilen, eingesetzt.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat den Antrag auf Erteilung eines solchen Erbscheins zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Beteiligten zu 4).

Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die vom Beschwerdeführer erstrebte Auslegung des zweiten Satzes des gemeinschaftlichen Testaments ist nicht möglich, ohne dass dies die Wirksamkeit des ersten Satzes, also der gegenseitigen Erbeinsetzung nach dem Erstversterbenden, beeinträchtigen würde. Eine ergänzende ("hypothetische") Auslegung würde voraussetzen, dass die Ehegatten die Erwartung gehegt hätten, es werde künftig zu gemeinsamen Abkömmlingen kommen. Eine derartige Vorstellung ist aber bezüglich leiblicher Abkömmlinge angesichts des Lebensalters der Eheleute bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments im Jahre 2011 – der Ehemann war 84 Jahre alt, die Ehefrau 81 Jahre alt – nach menschlichem Ermessen auszuschließen. Dass seinerzeit Adoptionen als möglich erschienen, ist von keinem der Beteiligten vorgetragen worden.

Eine Auslegung des zweiten Satzes des gemeinschaftlichen Testaments in dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sinne würde voraussetzen, dass beide Eheleute ein vom üblichen Sprachgebrauch vollständig abweichendes Verständnis zweier alltäglicher Begriffe gehabt und niedergelegt hätten, nämlich zum einen die Gleichsetzung von "Abkömmlingen" mit "Verwandten", zum anderen die Verwendung von" gemeinsam" als "von jeder der beiden Seiten kommend zusammen genommen". Mögen die Ehegatten auch nicht juristisch gebildet gewesen und nach Aktenlage auch nicht geschäftsgewandt gewesen sein, gibt es für solche krasse Fehlverständnisse beider Testierenden objektiv keinen Anhaltspunkt.

Auch die Herkunft der Vermögenswerte des Nachlasses der Ehegatten liefert keinen Anhaltspunkt für eine derartige Auslegung.

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