Detail

Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem die Ehegatten keine ausdrückliche Regelung der Erbfolge für den Fall des Todes des Erstversterbenden getroffen haben.

|   Erbrecht

(OLG München, Beschluss vom 11.03.2020 – AZ: 31 Wx 10/20 – juris)

Sachverhalt

Aus der Ehe des verstorbenen Ehemannes mit seiner Ehefrau gingen zwei Kinder hervor.
In einem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten vom August 2016 hieß es:

„Wir beide besitzen gemeinsam Haus mit Grundstück und etwas Ersparnis auf der Raiffeisenbank…
Alleinerbe ist unser Sohn S1.
Sohn S2 hat keinen Anspruch, ist also enterbt.
Dieses Testament ist nur gültig, wenn wir beide tot sind."

Die Ehefrau beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der bezeugen sollte, dass sie aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments Alleinerbin ihres Ehemannes geworden sei. Auch die beiden Söhne vertraten die Auffassung, dass aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments der Wille der Ehegatten ersichtlich sei, sich für den Tod des Erstversterbenden gegenseitig zu Alleinerben einzusetzen. Die Ehegatten hätten nicht gewollt, dass nach dem Tod des Erstversterbenden die gesetzliche Erbfolge eintreten solle. Der Sohn S2 habe an dem gemeinsamen Besitz der Ehegatten nicht beteiligt sein sollen.

Das Nachlassgericht hat in diesem Sinne entschieden, hat also das Testament dahingehend ausgelegt, dass die Ehefrau alleinige Erbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden sei. Gegen diese Entscheidung hat ein für den Sohn S2 bestellter Abwesenheitspfleger Beschwerde eingelegt.

Entscheidungsgründe des OLG München

Die Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts ist die Ehefrau nicht

alleinige Erbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden.  Das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten enthält keine ausdrückliche Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin für den Fall des Vorversterbens ihres Ehemannes und auch keine ausdrückliche gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten.

Auch im Wege der individuellen Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt sich keine Erbeinsetzung der Ehefrau als alleinige Erbin ihres Ehemannes.

Zwar kommt es bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erblassers an und es ist nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Eine Erbeinsetzung jedoch, die im Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Auch der Umstand, dass sich Ehegatten üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung im vorliegenden Fall dar. Allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments kann keine gegenseitige Erbeinsetzung angenommen werden.

Eine gegenseitige Einsetzung der Ehegatten zu Alleinerben beim ersten Erbfall ist in dem Testament der Ehegatten nicht einmal angedeutet. Die testamentarischen Anordnungen betreffen nämlich allein den Fall, dass beide Ehegatten verstorben sind, wie sich aus der ausdrücklichen Regelung im letzten Satz des Testaments ergibt. Damit haben die Ehegatten den Fall des Erstversterbens eines von ihnen ungeregelt gelassen.

Unerheblich ist auch, dass die beiden Ehegatten nach dem Vorbringen der Ehefrau keine Kenntnis davon hatten, dass wegen Fehlens einer Regelung für den ersten Erbfall die gesetzliche Erbfolge eintritt. Darauf kommt es nicht an.

TIPP:Die vorstehende Entscheidung macht deutlich, wie riskant es ist und welche unerfreulichen Ergebnisse es haben kann, wenn juristische Laien ohne fachkundige Beratung ein handschriftliches Testament errichten. Das OLG München folgt mit dieser Entscheidung den strengen Maßstäben, die es bereits zuvor in einer Entscheidung vom 12.11.2019 angewendet hat.

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