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Zur Beurteilung der Testierfähigkeit des Erblassers

|   Newsletter 02/2020

(OLG München, Beschluss vom 14.01.2020 – Az: 31 Wx 466/19 – FamRZ 2020, 802-803)

Leitsatz

  1. Die Beurteilung der Testierfähigkeit des Erblassers im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich Fachärzten für Psychiatrie vorbehalten.
  2. Die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen stellt regelmäßig einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs erheblich beeinträchtigt.
  3. Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückgeben, wenn andernfalls das Beschwerdegericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen müsste.

Sachverhalt

Der verwitwete Erblasser ist am 01.01.2017 verstorben. Er errichtete am 08.10.2004 ein notarielles Testament, mit dem er seinen Sohn, den Beschwerdeführer, als Alleinerben einsetzte.

Am 01.10.2007 errichtete er ein weiteres handschriftliches Testament, mit dem er seine drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte.

Streitig war die Frage, ob der Erblasser bei Abfassung des Testaments vom 01.10.2007 noch testierfähig war. Von dieser Frage hing es ab, wer Erbe geworden war.

Das Nachlassgericht hat in seinem Beweisbeschluss Herrn Prof. XXX beauftragt mit der Klärung der Frage, ob der Erblasser am 01.10.2007 testierfähig war. Dieser Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, eine Testierunfähigkeit des Erblassers lasse sich zu dem genannten Zeitpunkt nicht feststellen. Daraufhin kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments vom 01.10.2007 zugunsten der drei Kinder zu je 1/3 – Erbanteil an.

Dagegen richtete sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er geltend machte, das Nachlassgericht dürfe seine Entscheidung nicht auf das von ihm eingeholte Gutachten stützen, da der Sachverständige im Hinblick auf die Frage der Testierunfähigkeit nicht hinreichend qualifiziert sei. Denn er sei Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin, nicht aber Psychiater oder Nervenarzt.

Entscheidungsgründe des OLG München

Die Beschwerde hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung sowie das zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben und die Sache wird an das Nachlassgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Verfahren des Nachlassgerichts leidet unter einem wesentlichen Verfahrensfehler, der eine umfangreiche Beweisaufnahme des Beschwerdegerichts erforderlich machen würde.

Das Nachlassgericht hat für die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit auf einen Sachverständigen zurückgegriffen, der nicht über die dafür erforderliche Sachkunde verfügt.

Nach § 2229 Abs. 4 BGB muss bei Zweifeln an der Testierfähigkeit die Testierunfähigkeit positiv festgestellt werden. Bloße Zweifel genügen insoweit nicht. Zwar handelt es sich bei der Frage der Testierfähigkeit um eine juristische Frage. Gleichwohl bedürfen die Gerichte zu ihrer Beantwortung sachverständiger Hilfe.

Die Frage, ob ein Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war oder nicht, lässt sich nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten. Da der vom Nachlassgericht ausgewählte Sachverständige über diese Qualifikation nicht verfügt, kam die Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Testierunfähigkeit durch ihn nicht in Betracht. Aufgrund der mit der Feststellung der Frage der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten kommt im Hinblick darauf von vornherein nur die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie in Betracht.

Die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar, durch den der Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise beeinträchtigt wird.

Der Senat ist der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall angemessen ist, die Sache unter Aufhebung des Verfahrens an das Nachlassgericht zurückzugeben. Zwar verlängert sich hierdurch das Verfahren insgesamt nicht unwesentlich. Andererseits würde es dem Verlust einer Instanz nahekommen, wenn das Beschwerdegericht selbst einen geeigneten Sachverständigen beauftragen würde.

Anmerkung

Zwar hat das OLG München mit dieser Entscheidung die bisherige ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach nur ein Facharzt für Psychiatrie hinreichend qualifiziert ist, um die Frage einer Testierunfähigkeit zu klären. Nicht eingegangen wird in der Entscheidung jedoch auf die Frage, ob auch ein Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie als Gutachter geeignet wäre. Angesichts der Eindeutigkeit der Aussage des OLG München dürfte dies aber zu verneinen sein. Erst recht dürfte auch ein Facharzt für Neurologie wegen der anders gestalteten Ausbildung als beim Facharzt für Psychiatrie als Gutachter für die in Rede stehende Fragestellung ausscheiden, was in der Praxis nicht immer beachtet wird.

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