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Zur Vererblichkeit eines Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung

|   Erbrecht

(BGH, Urteil vom 29.11.2021 – AZ: VI ZR 258/18 –, ErbR 2022, 219 – 223)

Leitsatz

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird grundsätzlich erst mit Rechtskraft eines dem Verletzten die Geldentschädigung zusprechenden Urteils vererblich; ein nicht rechtskräftiges, nur vorläufig vollstreckbares Urteil genügt nicht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Ehefrau und Alleinerbin des während des Berufungsverfahrens verstorbenen ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl. Sie nimmt die Beklagten nach der Veröffentlichung des im Oktober 2014 erschienenen Buches „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ aus ererbtem Recht auf Geldentschädigung in Anspruch.

Der Erblasser hat die Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung von 5.000.000 € nebst Zinsen verklagt und dabei vorgetragen, sämtliche Textpassagen des Buches verletzten ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Das Landgericht hat der Klage – unter Klageabweisung im Übrigen – teilweise stattgegeben und die beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung von 1.000.000 € nebst Zinsen an den Erblasser wegen Veröffentlichung der dargestellten Textpassagen verurteilt.

Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil – nach dem Tod des Erblassers – auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung der Klägerin, die den Prozess als Erbin des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Erblassers fortführt, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das ursprüngliche Klagebegehren (5.000.000 €) weiter.

Entscheidungsgründe des BGH

Ob und – wenn ja – in welcher Höhe dem Erblasser bis zu seinem Tod ein Anspruch auf Geldentschädigung gegen die Beklagten zustand, kann offen bleiben. Denn der Anspruch ist mangels Vererblichkeit jedenfalls nicht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Grundsatz nicht vererblich. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch im Zeitpunkt des Todes des Verletzten und ursprünglichen Anspruchsinhabers bereits bei Gericht anhängig oder gar rechtshängig ist. Die grundsätzliche Unvererblichkeit ergibt sich dabei entscheidend aus der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs. Insoweit steht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund; einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Auch unter dem Aspekt der Menschenwürde ist das Bestehen eines solchen Anspruchs nach dem Tode nicht geboten. Hieran hält der erkennende Senat auch in Kenntnis der an dieser Auffassung in der Literatur geäußerten Kritik fest. Ohne Bedeutung für die Frage der Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs ist es auch, dass es sich beim Erblasser um eine historische Persönlichkeit handelt. An der fehlenden Möglichkeit, ihm nach seinem Tod Genugtuung zu leisten, ändert dies nichts.

Auch der Umstand, dass zu Lebzeiten des Erblassers zu dessen Gunsten bereits ein die Geldentschädigung zusprechendes vorläufig vollstreckbares Urteil ergangen ist, führt nicht zur Vererblichkeit des Anspruchs. Denn die vorläufig vollstreckbare Entscheidung verschafft dem Verletzten noch keine gesicherte Position und ist deshalb nicht geeignet, ihm über eine Geldentschädigung Genugtuung bereits in hinreichender Art und Weise zu erhalten, da er damit rechnen muss, dass das ihn begünstigende Urteil auf ein Rechtsmittel des Beklagten zu seinem Nachteil geändert wird. Der – unterstellte – Geldentschädigungsanspruch ist mit Eintritt des Todes des Erblassers erloschen.

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