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Zur Verjährung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche

|   Erbrecht

(OLG München, Beschl. vom 30.03.2023 – AZ: 33 U 7507/22– ErbR 2023, 711 – 713 -)

Leitsatz

  1. Hat eine Verjährungsfrist zu laufen begonnen, wird der Lauf nicht dadurch gehemmt, dass der Pflichtteilsberechtigte die letztwillige Verfügung entgegen seiner ursprünglich zutreffenden Beurteilung später (unzutreffend) für unwirksam hält (Anschluss an BGH, Urteil vom 14. November 1973 – IV ZR 13/72, nicht veröffentlicht).
  2. Kommen dem Pflichtteilsberechtigten nachträglich Zweifel an seiner Enterbung und beantragt er selbst einen Erbschein, beeinflusst dies den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungs-ansprüche nicht.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt mit ihrer Stufenklage Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie anschließende Zahlung des Pflichtteils am Nachlass ihres im Jahre 2018 verstorbenen Vaters. Die Beklagte ist die Tochter der Klägerin und Enkelin des Erblassers.

Der Erblasser hat in einem Testament vom April 2017 zunächst die Klägerin zur Alleinerbin bestimmt. Mit einem weiteren Testament vom Oktober 2017 hat er die Beklagte zur Alleinerbin bestimmt.

Mit Schriftsatz ihres früheren Rechtsanwalts vom Juni 2018 nahm die Klägerin die Beklagte auf Auskunft und anschließende Zahlung ihrer Pflichtteilsansprüche in Anspruch. In dem Schreiben hieß es u. a.:

"Infolge der damit verbundenen Enterbung unserer Mandantin stehen dieser Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Sie zu."

Die Beklagte hat der Klägerin im Juli/August 2018 ein Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses übermittelt und der Klägerin zunächst einen Betrag von 36.702,01 € und anschließend einen weiteren Betrag von 17.217,62 € überwiesen. Die Klägerin akzeptierte die Zahlungen ohne Vorbehalt.

Im Juni 2019 beantragte die Klägerin dann beim Nachlassgericht auf der Grundlage des Testaments des Erblassers vom April 2017 die Erteilung eines sie als alleinige Erbin des Erblassers ausweisenden Erbscheins. In dem anschließenden Verfahren bestand Streit über die Frage, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments vom Oktober 2017 testierfähig war. Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, mit dem keine Testierunfähigkeit des Erblassers festgestellt wurde, wies das Nachlassgericht den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin auf der Grundlage des Testaments vom April 2017 mit Beschluss vom 02.03.2022 zurück.

Mit Schreiben vom 23.03.2022 forderte die Klägerin von der Beklagten erneut Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Die Beklagte erhob daraufhin die Einrede der Verjährung, weshalb die Klägerin Klage erhob.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Ansprüche, soweit sie nicht infolge Erfüllung aufgrund der Zahlungen der Beklagten erloschen waren, als verjährt angesehen.

Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin, die vorträgt, wegen der zweifelhaften Testierfähigkeit des Erblassers habe Unsicherheit bestanden, ob die Klägerin Erbin geworden sei oder ihr nur Pflichtteilsansprüche zustünden. Deshalb seien diese Ansprüche nicht verjährt.

Entscheidungsgründe des OLG München

Der zuständige Senat des OLG München hat einen Hinweisbeschluss erlassen, mit dem die Klägerin darauf hingewiesen wurde,  dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Denn die Berufung habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Soweit die Berufung darauf abstellt, es habe angesichts der vermeintlichen Testierunfähigkeit des Erblassers Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments vom Oktober 2017 gegeben, sodass seitens der Klägerin keine sichere Kenntnis von der sie beeinträchtigenden Verfügung vorgelegen habe, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu führen könne, dass die Verjährung nicht zu laufen beginnt, verkenne sie, dass dies nicht gilt, wenn die Verjährung bereits zu laufen begonnen hat.

Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Für das Pflichtteilsrecht ist anerkannt, dass ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum, etwa über die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, der erforderlichen Kenntnis für den Beginn der Verjährungsfrist entgegenstehen kann.

Allerdings hört eine einmal zu laufen begonnene Verjährungsfrist nicht zu laufen auf, wenn der Pflichtteilsberechtigte die letztwillige Verfügung entgegen seiner ursprünglich zutreffenden Beurteilung später (unzutreffend) für unwirksam hält.

Diese Grundsätze habe das Landgericht zutreffend erkannt, seiner Entscheidung zugrunde gelegt und die Klage daraufhin zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts mit Schreiben vom Juni 2018 gegenüber der Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und damit zu erkennen gegeben, dass sie sich in Kenntnis der sie beeinträchtigenden Verfügung nicht als Erbin, sondern als nur pflichtteilsberechtigt ansieht. Damit begann die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen, denn die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt positive Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von ihrer Enterbung und der daraus resultierenden Pflichtteilsberechtigung.

Verjährungsbeginn war somit der 31.12.2018 und die Verjährung endete zum 31.12.2021.

Diese im Jahre 2018 angelaufene Verjährungsfrist konnte nachträglich, als der Klägerin Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments des Erblassers wegen einer vermeintlichen Testierunfähigkeit kamen, nicht mehr zu laufen aufhören. Deswegen kann dahinstehen, ob die Klägerin berechtigte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers haben durfte oder nicht.

Aufgrund vorstehender Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung an.

Anders lag der Sachverhalt demgegenüber in folgender Entscheidung:

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