Newsletter 01/2017
Arbeitsrecht
Umkleide- und Wegezeiten als zu vergütende Arbeitszeit
In dem zu entscheidenden Fall hatte ein in der Lebensmittelproduktion eingesetzter Arbeitnehmer Vergütungsansprüche geltend gemacht, da er täglich insgesamt 36 Minuten an Umkleide- und Wegezeiten aufgebracht haben will. Laut Arbeitsvertrag ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, die Arbeiten mit „sauberer und vollständiger“ vom Arbeitgeber gestellter Dienstkleidung durchzuführen. Diese darf, um Hygienevorschriften einzuhalten, jedoch erst im Betrieb an- und abgelegt werden. Dafür erhalten die Arbeitnehmer nach Betreten des Betriebsgeländes an einer Ausgabestelle Dienstkleidung und können sich dort in einem Umkleideraum umziehen. Anschließend begibt sich der Arbeitnehmer auf den Weg zum Betriebsgebäude und betätigt dort die Stempeluhr.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger teilweise Recht und entschied, dass das Umkleiden und die damit verbundenen Wegezeiten zur zu vergütenden Arbeitszeit zählen, wenn spezielle, vom Arbeitgeber vorgeschriebene Kleidung zwingend im Betrieb an- und...
Wann liegt ein privilegierter Kleinbetrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vor?
Für die Frage, ob ein Betrieb nur 10 Arbeitnehmer beschäftigt und somit kündigungsschutzrechtlich als Kleinbetrieb privilegiert ist, hat das Bundesarbeitsgericht nun Grundsätze aufgestellt, die bei der Anzahl der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass im Rahmen der Bestimmung der Betriebsgröße nur solche Arbeitnehmer zum Betrieb zählen, die in die betriebliche Struktur eingebunden sind. Dies erfordert zumindest, dass die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit für den Betrieb erbringen und von dort die wesentlichen Weisungen für die Durchführung ihrer Tätigkeit erhalten. Der nur gelegentliche Aufenthalt im Betrieb für Meetings und Präsentationen reicht dazu nicht.
Streitig war, ob die in einer Schweizer Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer bei der Bemessung der Arbeitnehmerzahl der Hauptniederlassung zu berücksichtigen waren. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage mit der vorbezeichneten Begründung verneint.
TIPP: Lassen Sie sich vor Erhebung...
Handels- und Gesellschaftsrecht
Innenausgleichs-Anspruch von Gesellschaftern, die Bürgschaften gegenüber Dritten übernommen haben (BGH, Urteil vom 27.09.2016 – Az: IX ZR 81/15 -)
In seinem Urteil befasst sich der BGH mit dem Innenausgleichs-Anspruch von Gesellschaftern, die für ihre Gesellschaft Bürgschaften gegenüber Dritten übernommen haben und aus diesen Bürgschaften in Anspruch genommen werden.
Falls das Ausgleichsverhältnis nicht geregelt ist, richtet sich dieses entweder nach den jeweiligen Anteilen am Gesellschaftsvermögen oder dann, wenn Bürgschaften in unterschiedlicher Höhe eingegangen sind, entsprechend dem Verhältnis der verbürgten Beträge.
TIPP: Wenn Gesellschafter Sicherheiten für die Gesellschaft eingehen, sollte gleichzeitig auch das Ausgleichsverhältnis im Fall einer Inanspruchnahme geregelt werden.
Erfüllung einer Einlageschuld
Im konkreten Fall war es so, dass ein Gesellschafter zur Erfüllung seiner restlichen Einlage-Zahlungsverpflichtung dem Geschäftsführer Bargeld zur Verfügung gestellt hat; dieses Bargeld hat der Geschäftsführer, der sich nach eigenen Angaben in einer finanziell desolaten Situation befunden hat, zur Verrechnung mit rückständigen Gehaltsbezügen verwendet.
Mit dem Hinweis darauf, dass das Geld damit der Gesellschaft nicht zur vollwertigen und unbeschränkten Verfügung zur Verfügung gestanden habe, hat das OLG - zutreffend - eine ordnungsgemäße Erfüllung der Einlageverpflichtung abgelehnt. Der Gesellschafter musste daher nochmals zahlen.
TIPP: Werden in Krisenzeiten Zahlungen auf rückständige Einlageverpflichtungen erbracht, kann man hierbei nicht vorsichtig genug sein.
Anwaltliche Vertretung eines Gesellschafters in einer Gesellschafterversammlung
Das OLG Dresden hat sich in seinem Urteil mit der Frage befasst, ob und inwieweit sich ein Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung anwaltlich vertreten lassen kann und wie der Gesellschafter seine Rechte gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzen kann.
Schlagwortartig bleibt festzuhalten, dass
- sich ein Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung stets vertreten lassen kann, falls die Satzung nichts anderes regelt und
- auch dann, wenn die Satzung die höchstpersönliche Stimmabgabe vorsieht, der Gesellschafter sich bei schwerwiegenden Entscheidungen der Hilfe eines Anwaltes durch Anwesenheit in der Gesellschafterversammlung bedienen darf.
Diesen Anspruch kann der Gesellschafter, soweit dies notwendig ist, im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen.
TIPP: Stehen in einer Gesellschafterversammlung kritische Entscheidungen an, sollte man frühzeitig anwaltlichen Rat einholen.
Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR...
Insolvenzrecht
Vorsicht bei Patronatserklärungen
Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, sichern sich Gläubiger dieser Gesellschaft häufig durch Patronatserklärungen des Gesellschafters oder bei Konzerngesellschaften der Muttergesellschaft ab.
Aus Sicht eines Gläubigers kommen für diesen, will er sich erfolgreich absichern, letztendlich nur sogenannte harte Patronatserklärungen in Betracht, d.h. Erklärungen, aufgrund dessen sich der Patronatsgeber, sei es im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft, sei es im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern, verbindlich verpflichtet, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufzukommen. Die harte Patronatserklärung ähnelt insoweit einer Bürgschafts- oder Garantieerklärung.
In seinem Beschluss hat der BGH diese Grundsätze nochmals bestätigt und ergänzend darauf hingewiesen, dass bei Ausübung einer berechtigten Kündigung der Patronatserklärung die bis zum Zeitpunkt der Kündigung begründeten Verpflichtungen unberührt bleiben, d.h. die Kündigung wirkt nur für die...
Verlagerung des Wohnsitzes zur Erlangung der Wohltaten eines im Ausland durchzuführenden Insolvenzverfahrens
In seinem Beschluss hat sich der Bundesfinanzhof mit der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens befasst.
Im konkreten Fall - pikanterweise ging es um erhebliche steuerliche Rückstände eines Steuerberaters - hat der BFH die Anerkennung des von dem Steuerpflichtigen in England erfolgreich durchgeführten Restschuldbefreiungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches verneint.
Schlagwortartig weist der BFH darauf hin, dass
- eine rechtsmissbräuchliche Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland und
- eine nur zum Schein erfolgte Aufgabe des inländischen Wohnsitzes
- verknüpft mit unrichtigen Angaben in Vermögensauskünften
dazu führen kann, dem - aus Sicht des Steuerpflichtigen erfolgreich - im Ausland abgeschlossenen Insolvenzverfahren die Anerkennung zu versagen.
Die Rechtsprechung des BFH entspricht der Tendenz der zivilrechtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen. Sie deckt sich darüber hinaus mit Erfahrungen im hiesigen grenznahen Raum zu Frankreich,...
WeiterlesenSanierungserlass des BMF: Vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen
Mit seinem Beschluss hat der Bundesfinanzhof den Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen verworfen. Die im Sanierungserlass des BMF vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen verstößt nach Auffassung des BFH gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Ein Sanierungsgewinn, der dadurch entsteht, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise vom Gläubiger erlassen werden, erhöht damit das Betriebsvermögen und ist grundsätzlich steuerbar. Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 waren Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. in voller Höhe steuerfrei. Seit Aufhebung dieser Vorschrift im Jahr 1997 ist ein Sanierungsgewinn grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung wurde in der Folge durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall erreicht. In dem vorgenannten Sanierungserlass des BMF, der sich auf die Billigkeitsregelung der § 163 und § 227 AO stützt, hat das BMF in einer allgemeinverbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, dass...
WeiterlesenMietrecht
Höhe der Nutzungsentschädigung wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache
Oftmals zieht der Mieter, insbesondere bei einer außerordentlichen Kündigung, nicht rechtzeitig aus. Da bei einer Kündigung allerdings der vertragliche Anspruch auf Mietzahlung entfällt, sieht § 546a Abs. 1 BGB vor, dass der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.
Das Amtsgericht Köln hat in seinem Urteil vom 12. Oktober 2012, Az. 221 C 441/10 ausgeführt, dass als Nutzungsentschädigung nicht die Marktmiete, sondern nur die ortsübliche Vergleichsmiete beansprucht werden kann. Bei Wohnraummietverhältnissen sei die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB maßgeblich.
In der Literatur wurde zusätzlich vertreten, dass nicht die Neuvertragsmiete maßgeblich sei, sondern bei der Nutzungsentschädigung, die einen „vertraglichen Anspruch eigener Art“ darstelle, dem Vermieter nur diejenige Miete zuzubilligen sei, die andere Vermieter im Wege eines Mieterhöhungsverlangens...
Vorsicht bei Aufrechnungsklauseln in Mietverträgen
Mietverträge, insbesondere im gewerblichen Bereich, enthalten in der Regel den Hinweis darauf, dass die Aufrechnung mit Gegenforderungen durch den Mieter nur unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere rechtskräftige Feststellung der Gegenforderungen und / oder deren Anerkennung - durch den Vermieter zulässig ist.
Mit seinem Urteil hat der BGH eine derartige Klausel für unwirksam erklärt mit dem Hinweis darauf, dass sich die Klausel nur auf Ansprüche aus dem Mietverhältnis beziehe, dagegen nicht sonstige dem Mieter etwaig zustehende Ansprüche berücksichtige. Damit sei die Aufrechnung mit Forderungen, gleichgültig, ob bestritten, unbestritten oder rechtskräftig festgestellt, aus einem außerhalb des Mietverhältnisses stehenden Rechtsverhältnisses ausgeschlossen mit der Folge, dass die Klausel nichtig sei.
TIPP: Falls Sie als Vertragspartner insbesondere auf Vermieterseite derartige Klauseln verwenden, überprüfen Sie deren Inhalt oder nehmen Sie anwaltliche Beratung in Anspruch.
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Vergaberecht
Vertragsrecht
Ansprüche des Verbrauchers im Rahmen des Abgasskandals
Viele VW Kunden überlegen sich, ob sie aufgrund des Einbaus der „Mogelsoftware“ Ansprüche gegen den Händler (ihr Vertragspartner) oder den Hersteller geltend machen können.
Einige Kunden haben den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass dem Händler eine etwaige Täuschungshandlung zugerechnet werden müsste. Dies ist nur in Ausnahmefällen zu bejahen, etwa dann, wenn das Autohaus gesellschaftsrechtlich mit dem VW Konzern verbunden ist.
In den übrigen Fällen dürfte eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung ausgeschlossen sein. Dem Autohaus vor Ort ist das Wissen der Ingenieure des VW Konzerns nicht zuzurechnen.
Dem Kunden bleiben gegebenenfalls Gewährleistungsansprüche gegen das Autohaus.
Gewährleistungsansprüche setzen einen Mangel voraus. Dieser dürfte im Hinblick auf die manipulierte Software vorliegen. Gegebenenfalls müsste zu dieser Frage in einem gerichtlichen Verfahren ein Sachverständigengutachten...