Newsletter 04/2022
Wir wünschen unseren Mandantinnen und Mandanten sowie den Leserinnen und Lesern unseres Newsletters
ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2023
Arbeitsrecht
Immer Ärger mit den Ausschlussfristen – Zur Unwirksamkeit einer Ausschlussfristenklausel (BAG, Urteil vom 05.07.2022 – AZ: 9 AZR 341/21 -)
Die Klägerin nahm die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2013 bis 2017 in Anspruch. Im Arbeitsvertrag der Parteien war folgende Ausschlussfrist vereinbart:
„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.“
Die Frage, ob die Ausschlussfrist wirksam vereinbart wurde, entschied das BAG klar und eindeutig. Die Ausschlussfristenregelung – so das BAG – sei unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenze. Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Es handelt sich um eine Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB. Infolge dieses gesetzlichen Verbotes kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht durch...
WeiterlesenUrlaubsansprüche während der Elternzeit? Wirksamkeit der Kürzungserklärung (BAG, Urteil vom 05.07.2022 - AZ: 9 AZR 342/21 -)
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das Gesetz unterstellt allein den „Erholungsurlaub“ der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch (BAG, Urteil vom 19.03.2019 – AZ: 9 AZR 362/18, NZA 2019, 1141, Rdn. 32).
TIPP: Will der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, muss er das Kürzungsrecht ausüben und eindeutig erklären. Wird die Kürzungserklärung nicht wirksam ausgeübt, gehen die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers auch nicht unter und es besteht der volle Urlaubsanspruch während der Elternzeit.
Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt...
WeiterlesenGesellschaftsrecht
Kündigung eines Gesellschafters und Wiederaufnahmeanspruch (BGH, Urteil vom 12. Juli 2022 – AZ: II ZR 81/21 –)
„Wie gewonnen so zerronnen“ – so oder so ähnlich ließe sich eine aktuelle gesellschaftsrechtlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs überschreiben.
Worum ging es in der Entscheidung?
Der Kläger und die Beklagte, mittlerweile geschiedene Eheleute, waren Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Die Beklagte hielt einen Teil ihrer Kommanditeinlage treuhänderisch für den Kläger. Da die Beklagte nach der Trennung die Abtretung des treuhänderisch gehaltenen Kommanditanteils an den Kläger verweigerte, erwirkte der Kläger einen rechtskräftigen Beschluss des Familiengerichts, in welchem die Beklagte zur Abtretung verpflichtet wurde. Der im familiengerichtlichen Verfahren entstandene Kostenerstattungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte wurde mittels Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt. Auf dessen Grundlage erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem er den Kommanditanteil und ein Auseinandersetzungsguthaben der Beklagten pfändete. Nachdem eine Zahlung der...
WeiterlesenErbrecht
Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal im Erbschaftsteuerrecht (BFH, Urteil vom 01.09.2021 – AZ: II R 8/20 - ZErb 2022, S. 438 – 441)
Leitsatz
- Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) können auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Grabstätte nur als vorübergehende Ruhestätte des Verstorbenen bestimmt war.
- Die Angemessenheit eines Grabdenkmals richtet sich neben dem Umfang des Nachlasses nach der Lebensstellung des Erblassers. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört.
Sachverhalt
Der Kläger ist aufgrund gesetzlicher Erbfolge der Alleinerbe seines im Jahre 2017 verstorbenen Bruders (Erblasser). Beide sind muslimischen Glaubens. Die Bestattung des Erblassers fand im Februar 2017 statt. Die vom Kläger getragenen Kosten für das Grabdenkmal dieser Bestattung betrugen 9.300,00 €.
Der Beklagte (Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 16.01.2019 Erbschaftsteuer fest, wobei der Bescheid hinsichtlich der Erbfallkosten vorläufig...
WeiterlesenAnforderungen an ein sogenanntes Brieftestament (Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 23.11.2021 – AZ: 5 W 62/21 – ZErb 2022, 448 – 450)
Leitsatz
Ein privatschriftliches Testament kann grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein. Ein solches Testament muss dann zum einen den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügen, d. h. insbesondere eigenhändig geschrieben und unterzeichnet sein, und zum anderen auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruhen.
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, mit dem sie als jeweils hälftige Erben der Erblasserin festgestellt werden wollten. Zur Begründung haben sie sich auf ein Schreiben der Erblasserin vom 27.12.2018 berufen. Darin hatte die unverheiratete und kinderlose Erblasserin den Beteiligten zu 3) und zu 4) u. a. Folgendes mitgeteilt:
"Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtstag recht herzlich bedanken....
Im neuen Jahr gehe ich mit T. zum Notar; Ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich...
WeiterlesenAuswirkungen des Wegzugs auf ein Wohnhausvermächtnis (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.08.2022 – AZ: 3 Wx 71/22– ErbR 2022, 1016 – 1023
Leitsatz
- Hat der Erblasser seiner Ehefrau das "beim Erbfall bewohnte Wohnhaus" als Vorausvermächtnis zugewendet und sind die Eheleute aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Erblassers zu ihren Töchtern gezogen, erfordert die Inanspruchnahme des Vorausvermächtnisses, dass der Umzug aus dem ehelichen Haus nach dem Willen der Eheleute nur vorübergehend sein sollte und die Ehefrau noch im Zeitpunkt des Erbfalles die Absicht hat, in ihr früheres Wohnhaus zurückzukehren.
- Von dem Vermächtniszweck ist es nicht gedeckt, wenn der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Erbfalles eine andere Unterkunft gefunden hat und ein Rückgriff auf die ehemals eheliche Wohnung völlig ungewiss ist.
Sachverhalt
Die Beteiligte zu 1) – Ehefrau des Erblassers – ist aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 19.07.1991 zur Testamentsvollstreckerin nach dem Tod ihres Ehemannes berufen. Sie hat das Amt angenommen. Ihr ist darüber hinaus vom Erblasser durch notarielle Urkunde vom 16.02.2018 Generalvollmacht in...
WeiterlesenE-Commerce
Ausgestaltung des Kündigungsbutton im E-Commerce (LG Köln, Beschluss vom 29. Juli 2022 – AZ: 33 O 355/22 –)
Wer über eine Website mit Verbrauchern Verträge abschließt, die sog. Dauerschuldverhältnisse beinhalten bzw. darstellen, ist seit dem 01.07.2022 u. a. verpflichtet, auf der Website einen sog. Kündigungsbutton vorzuhalten (§ 312k Abs. 2 BGB). Mit dem Beschluss des Landgerichts Köln vom 29.07.2022 liegt nun eine erste gerichtliche Entscheidung vor, die sich mit diesem Kündigungsbutton und seiner Ausgestaltung befasst (LG Köln, Beschluss vom 29. Juli 2022 – 33 O 355/22 –).
Was ist der Kündigungsbutton?
In Zeiten des E-Commerce ist es für Verbraucher ein Leichtes, entgeltliche Verträge online, d. h. auf Websites von Händlern und Dienstleistern oder auch auf Vermittlungsportalen, abzuschließen. Dies betrifft neben klassischen Kaufverträgen (bspw. zum Erwerb von Kleidung, Büchern, CDs etc.) auch sog. Dauerschuldverhältnisse, d. h. Verträge, bei denen über einen bestimmten Zeitraum Leistungen ausgetauscht werden (bspw. Mobilfunkverträge, Verträge über Video-Streaming-Dienste [Amazon Prime,...
WeiterlesenDatenschutz
Interessenkonflikt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten
„Interessenkonflikt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten: 525.000 Euro Bußgeld gegen die Tochtergesellschaft eines Berliner E-Commerce-Konzerns“ – so lautet die Überschrift der Pressemitteilung der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) vom 20.09.2022.
Was war passiert?
Der Pressemitteilung lässt sich entnehmen, dass das von der Aufsichtsbehörde überprüfte Unternehmen – hierbei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft eines Berliner E-Commerce-Konzerns – einen Datenschutzbeauftragten bestellt hatte, der zugleich Geschäftsführer von zwei ebenfalls konzernzugehörigen Dienstleistungsgesellschaften ist. Problematisch war dabei, dass diese Dienstleistungsgesellschaften im Auftrag des überprüften Unternehmens personenbezogene Daten verarbeiteten, d. h. als Auftragsverarbeiter tätig waren, und der Datenschutzbeauftragte des Auftraggebers und der Geschäftsführer der Auftragnehmer ein und dieselbe Person waren. Die Berliner Aufsichtsbehörde sah darin...
WeiterlesenUrherberrecht
Verzicht auf Urheberbenennung in AGB wirksam (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. September 2022 – AZ: 11 U 95/21 –)
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob einem Fotografen auch dann Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche wegen einer unterlassenen Urheberbenennung zustehen, wenn der Fotograf als Urheber zuvor formularmäßig auf das Recht auf Urheberbenennung verzichtet hat.
Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger, ein Fotograf, nahm die Beklagte wegen Unterlassung und Schadenersatz im Zusammenhang mit einem vom Kläger erstellten Lichtbild in Anspruch. Dieses Lichtbild hatte die Beklagte von dem Microstock-Portal heruntergeladen, auf welchem es der Kläger zuvor auf Grundlage eines mit dem Portalbetreiber abgeschlossenen Upload-Vertrags eingestellt hatte. Die Beklagte verwendete dieses Lichtbild auf ihrer Website, u. a. ohne dabei den Kläger als Urheber anzugeben.
Nach dem Upload-Vertrag – d. h. den AGB des Portalbetreibers – war der Portalbetreiber berechtigt, Dritten nicht-exklusive, weltweite und zeitlich unbegrenzte Lizenzen zur Nutzung, Wiedergabe...
WeiterlesenVersicherungsrecht
Nachtrunk als Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Kaskoversicherung (OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.02.2022 - AZ: 11 U 176/20 -)
Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger von seiner Kaskoversicherung die Erstattung eines Fahrzeugschadens aus einem vom Kläger selbst verschuldeten Unfall. Der Kläger selbst hatte nach einem Unfall die Polizei angerufen und diese über den Unfall informiert. Danach hat er sich von der Unfallörtlichkeit entfernt und seinen Vater mit der weiteren Abwicklung der Angelegenheit vor Ort betraut.
Als der Kläger nach Hause kam, nahm er eine größere Menge Alkohol zu sich. Die eintreffenden Polizeibeamten konnten den Kläger nur noch in einem alkoholisierten Zustand – nach eigenen Angaben hatte der Kläger 0,7 l Wodka zu sich genommen – antreffen.
Das OLG Braunschweig wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass dem Versicherungsnehmer die vertragliche Pflicht obliegt, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Zweck dieser Obliegenheit ist, dem Versicherer die sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht zu ermöglichen. Hierzu...
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