Sonder-Newsletter Corona-Ausbreitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Sonder-Newsletter möchten wir Ihnen eine erste Orientierung zur Bewältigung rechtlicher Fragestellungen durch die Auswirkungen des Corona-Virus auf den Unternehmens- und Arbeitsalltag geben. Gerne stehen wir Ihnen auch persönlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwälte HEIMES & MÜLLER GbR
 


Inhalt:

  1. Das Corona-Virus und seine arbeitsrechtlichen Folgen
  2. Homeoffice und Datenschutz
  3. Handlungsfähigkeit der Gesellschaft bei Ausfall der Leitungsebene
  4. Insolvenzrechtliche Risiken in der Corona-Krise
  5. Corona am Bau

Das Coronavirus und seine arbeitsrechtlichen Folgen

       Dürfen Arbeitnehmer wegen der Corona-Pandemie zuhause bleiben?

Die reine Furcht vor einer Ansteckung oder auch die Tatsache, dass sich das Virus in Deutschland rasant ausbreitet, berechtigt Arbeitnehmer nicht, von der Arbeit fernzubleiben. Die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers bleibt aufrechterhalten. Bleiben Arbeitnehmer dennoch zu Hause, fehlen Sie unentschuldigt. Ihnen werden arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu Abmahnung oder Kündigung drohen.

Gleiches gilt auch dann noch, wenn im Unternehmen Verdachtsfälle oder nachgewiesene Infektionen auftreten. Der Arbeitgeber muss aber auf das erhöhte Risiko reagieren und Schutzmaßnahmen ergreifen, wozu auch die Freistellung von Kollegen des betroffenen Mitarbeiters gehören kann.

       Arbeitnehmer sind an Corona erkrankt oder stehen unter Quarantäne: Wer zahlt das Gehalt?

Ist ein Arbeitnehmer durch die Infizierung mit dem Coronavirus erkrankt, erhält er eine Lohnfortzahlung nach den gängigen Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes für die Dauer von bis zu 6 Wochen.

Um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen, sind die zuständigen Behörden auch dazu berechtigt, Quarantänemaßnahmen gegen lediglich potenziell infizierte Personen anzuordnen. Befindet sich der Arbeitnehmer wegen des Verdachts auf eine mögliche Infektion mit dem Virus in Quarantäne, so kann er vom Arbeitgeber eine Entschädigung in Höhe des Netto-Arbeitsentgelts für die ersten 6 Wochen der Quarantäne beanspruchen. Rechtsgrundlage ist die Regelung in § 56 Infektionsschutzgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz greift jedoch nicht. Der Arbeitgeber kann die an den Arbeitnehmer zu leistende Entschädigung aber von der Behörde, die die Quarantäne angeordnet hat, auf Antrag zurückverlangen. Aus Sicht des Arbeitgebers dürfte es sich daher empfehlen, bereits frühzeitig mit den zuständigen Behörden in Kontakt zu treten.

       Wie verhalten sich Arbeitnehmer mit Kindern, wenn Schulen und Kitas schließen?

In mehreren Bundesländern - darunter auch das Saarland - bleiben Schulen und Kindertagesstätten mindestens bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Eltern sehen sich mit zahlreichen - auch arbeitsrechtlichen - Problemen konfrontiert.

Ist das Kind selbst erkrankt, haben Arbeitnehmer das Recht, vom Arbeitgeber eine Freistellung zur Betreuung des erkrankten Kindes in Anspruch zu nehmen. Gesetzlich vorgesehen sind hier 10 Tage pro Kind und Elternteil, bei Alleinerziehenden also 20 Tage.

Der Arbeitnehmer darf aber nicht ohne weiteres mit der Begründung, er müsse seine Kinder betreuen (aufgrund Kita- oder Schulschließung), von der Arbeit fernbleiben. Nur wenn die Eltern nachweisbar keine andere Betreuungsmöglichkeit haben, dürfen sie mit ihren Kindern zuhause bleiben. Sie sind dann laut Gesetz "persönlich verhindert" und können in einem begrenzten Zeitraum (3 – 7 Tage) das Gehalt auf der Grundlage von § 616 BGB weiter beanspruchen, soweit der Arbeitsvertrag dies nicht explizit ausschließt. Es empfiehlt sich aber, mit dem Arbeitgeber möglichst schnell nach einer individuellen und einvernehmlichen Lösung zu suchen.

Rechtsanwalt Matthias-Alexander Fries


Homeoffice und Datenschutz

Um die Gefahr vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu reduzieren und gleichzeitig den Geschäftsbetrieb mit so wenig Einschränkungen wie möglich aufrechterhalten zu können, schicken immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice.

Soweit ein Arbeiten im Homeoffice ermöglicht oder gar angeordnet wird, sind – neben insbesondere den arbeitsrechtlichen Vorgaben – auch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Dabei haben Unternehmen/Unternehmer und Mitarbeiter insbesondere darauf zu achten, dass diejenigen personenbezogenen Daten, die für den Arbeitgeber verarbeitet werden, von denen personenbezogenen Daten, die der Mitarbeiter zu privaten Zwecken verarbeitet, strikt getrennt werden.

Besondere Schwierigkeiten können sich hier insbesondere beim Einsatz private Endgeräte ("Bring Your Own Device"), auf denen sowohl beruflich genutzte als auch private Daten gespeichert sind, ergeben. In diesen Fällen besteht nicht nur die Gefahr, dass die privaten personenbezogenen Daten von den vom Unternehmen bereitgestellten personenbezogenen Daten "infiziert" werden, was die vollumfängliche Anwendbarkeit der DS-GVO auch auf die privaten Daten zur Folge hätte. Auch kollidieren die Kontrollpflichten des Unternehmens/Unternehmers als datenschutzrechtlich Verantwortlicher und als Verantwortlicher für die IT-Sicherheit im Unternehmen mit den (Abwehr-)Rechten des Mitarbeiters in Bezug auf die privaten Daten.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen/Unternehmer unter Hinzuziehung ihrer Datenschutzbeauftragten und/oder externer Berater Regelungen zum Homeoffice und zur Nutzung privater Endgeräte treffen.

Rechtsanwalt Patrick Steinhausen, LL.M.


Handlungsfähigkeit der Gesellschaft bei Ausfall der Leitungsebene

Im Hinblick auf möglicherweise großflächige Erkrankungen in Verbindung mit Quarantänemaßnahmen muss die Geschäftsführung jeder Gesellschaft überprüfen, ob eine Handlungsfähigkeit der Gesellschaft auch bei gleichzeitigem Ausfall der Geschäftsführungs- und Prokuristenebene sichergestellt ist, um eine Führungslosigkeit der Gesellschaft in einer möglichen Krisensituation abzuwenden.

Sollte keine hinreichende Regelung für diesen Fall im Unternehmen existieren, so empfiehlt sich als „Sofortmaßnahme“ die Erteilung privatschriftlicher Handelsvollmachten gemäß § 54 HGB an Mitarbeiter. Der mit dieser Vollmacht ausgestattete „Handlungsbevollmächtigte“ ist zwar nicht mit den vollumfänglichen Vertretungsbefugnissen von Geschäftsführern und Prokuristen ausgestattet, seine Vollmacht ermöglicht ihm aber in jedem Fall den „Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten“. Da der Handlungsbevollmächtigte nicht automatisch Kontovollmacht hat, sollte auch die Verfügungsbefugnis über die Geschäftskonten geklärt und mit den Banken besprochen werden.

Rechtsanwalt Dr. Alexander Mohr
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht


Insolvenzrechtliche Risiken in der Corona‑Krise

Wie die FAZ in ihrem Beitrag „Das ist nicht die Stunde der Ökonomen“ (Kommentar von Gerald Braunberger, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/schwarze-boersenwoche-nicht-die-stunde-der-oekonomen-16676678.html, Abrufdatum: 13.03.2020, 9:49 Uhr) feststellt, kann die Geldpolitik den aus dem Virus entstehenden wirtschaftlichen Schaden einzugrenzen versuchen, aber nach Auffassung der FAZ ist sie allein nicht in der Lage, den Sturz der Wirtschaft in eine Rezession zu verhindern.

Es dürften sich für Unternehmen die klassischen Folgen wie beispielsweise Forderungsausfälle, Verzögerungen in der Lieferkette und damit einhergehend Verzögerungen bei der Fertigstellung von Aufträgen und daraus folgende Regressansprüche, Störungen der Betriebsabläufe sowie der Ausfall von Leistungsträgern anschließen. Diese Faktoren wirken sich aller Voraussicht nach auch auf die Leistungsfähigkeit derjenigen Unternehmen aus, die nicht unmittelbar von Corona‑Fällen betroffen sind. Daher müssen sowohl diese Unternehmen als auch die unmittelbar betroffenen Unternehmen in erhöhtem Maße etwaige Krisenanzeichen ständig überwachen, da auch in dieser Sondersituation die gesetzlichen Vorgaben zur Insolvenzantragstellung – insbesondere die „3‑Wochenfrist“ bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung – zu beachten sind. Über die in der Diskussion befindliche Verlängerung der vorgenannten Frist ist bisher noch nicht abschließend entschieden. Die besonderen Zeiten dulden keinen Aufschub, weder bei der Bekämpfung und Eindämmung des Virus als auch bei der Einleitung unternehmerisch erforderlicher Maßnahmen: zur Vermeidung der vorstehenden Risiken ist es aus unserer Sicht für Unternehmen angezeigt, frühzeitig Maßnahmen zur Vermeidung der Insolvenzrisiken bzw. zur Durchführung einer möglichen Restrukturierung unter fachmännischer Beratung zu ergreifen.

Rechtsanwalt Dr. Michael Bach


Corona am Bau

Längst hat das Corona-Virus auch die Bauwirtschaft erreicht. Immer mehr Bauunternehmen und Handwerksbetriebe haben Personalmangel wegen Verdachtsfällen, Quarantänemaßnahmen und jüngst auch wegen der weggefallenen Kinderbetreuung zu beklagen. Je nach Grad der Betroffenheit sind die Folgen gravierend. Aufträge können nicht mehr fristgerecht ausgeführt werden und im schlimmsten Fall kommt es zu erheblichen Verzögerungen ganzer Bauvorhaben. Das wirft einerseits die Frage nach der Haftung bei der Versäumung von Vertragsfristen und andererseits die Frage nach Ersatzansprüchen bei Bauzeitverlängerungen auf.

Ist ein Auftragnehmer unmittelbar betroffen, weil der Betrieb oder ein wesentlicher Teil der Beschäftigten wegen eines Erkrankungsfalls von behördlich angeordneten Quarantänemaßnahmen betroffen ist, kann der Auftragnehmer eine Verlängerung der Ausführungsfrist wegen einer Behinderung durch höhere Gewalt oder andere für ihn unabwendbare Umstände stützen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B). Die gleichen Grundsätze gelten auch im BGB-Werkvertrag. Die Verlängerung der Ausführungsfristen schützt zugleich vor Verzugsschaden, Vertragsstrafen und außerordentlichen Kündigung des Vertrags. Umgekehrt wird der Auftragnehmer bei unabwendbaren Behinderungen, die aus der Sphäre des Auftraggebers stammen, kaum bauzeitbedingte Ansprüche (z. B. Vorhaltekosten für Baustelleneinrichtung und Gerät) geltend machen können.

Vor deutlich größere Schwierigkeiten dürften Auftragnehmer und Auftraggeber gestellt werden, wenn eine unklare Situation durch einzelne Verdachtsfälle oder Risikokontakte bewertet werden muss. Das kann z. B. vorkommen, wenn Beschäftigte aus einem Risikogebiet, wie z. B. der Région Grand Est, auf der Baustelle tätig sind und entsprechender Kontakt besteht. Diese Situation kann ohne weiteres auch Auftragnehmer treffen, wenn ihr Personal mit Beschäftigten anderer Auftragnehmer zusammentrifft. Einerseits sind Auftragnehmer und Auftraggeber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht und Verantwortung gehalten, die Situation zu bewerten und angemessen zu reagieren. Andererseits bedarf es auch einer Abwägung der wirtschaftlichen und vertragsrechtlichen Folgen. Ob dann tatsächlich höhere Gewalt oder ein unabwendbares Ereignis i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B vorliegt, kann nur bei einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, frühzeitig eine behördliche Handlungsempfehlung bei den Gesundheitszentren einzuholen und – soweit möglich – einvernehmliche Regelungen mit dem Vertragspartner zu treffen.

Rechtsanwalt Dr. Markus Groß

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht