30 / 2022

Bestehen Ansprüche von Reisenden nach der EU-Fluggastrechteverordnung bei Streik der Mitarbeiter einer Fluggesellschaft oder liegen „außergewöhnliche Umstände“ vor?

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Infolge des Warnstreiks des Bodenpersonals einer großen deutschen Fluggesellschaft am 27.07.2022 wurde vielfach über die Frage diskutiert, ob Ansprüche nach der EU-FluggastrechteVO im Falle der Stornierung bzw. Umbuchung eines Fluges geltend gemacht werden können oder aber die Fluggesellschaft sich auf das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ berufen kann, die den Anspruch entfallen lassen. Hintergrund ist, dass ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ist, Ausgleichszahlungen gemäß der EU-Verordnung zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Bereits im Jahr 2021 stellte der Gerichtshof der Europäischen Union jedoch in einem Urteil (Urteil vom 23.03.2021 in der Rechtssache C-28/20 Airhelp Ltd / Scandinavian Airlines System SAS) fest, dass ein von einer Gewerkschaft von Beschäftigten eines Luftfahrtunternehmens organisierter Streik, mit dem u. a. Gehaltserhöhungen durchgesetzt werden sollen, keinen „außergewöhnlicher Umstand“ darstellt, der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen wegen Annullierung oder großer Verspätung der betroffenen Flüge befreien könnte (Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 44/21 vom 23.03.2021). Diese Feststellung zu „internen“ Ursachen, die von der Fluggesellschaft nach Auffassung des Gerichts beherrschbar sind, grenzt das Gericht von solchen „externen“ Ursachen bzw. Streikmaßnahmen ab, die nicht Teil der Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sind, wie Streikmaßnahmen der Fluglotsen oder des Flughafenpersonals. In diesen Fällen können daher „außergewöhnlich Umstände“ vorliegen, die Ansprüche nach der EU-FluggastrechteVO ausschließen. Neben den Ursachen des Flugausfalles, die mithin für das Bestehen eines Anspruchs entscheidend sind, ist die Höhe eines solchen Anspruchs von der Länge der geplanten Flugstrecke abhängig. Es empfiehlt sich daher auch im Falle von Verspätungen oder Ausfällen, sich von der Fluggesellschaft sowohl die konkrete Verspätung bzw. den Flugausfall, als auch den Grund bestätigen zu lassen, um die Geltendmachung von Ansprüchen absichern zu können.

Neben Ansprüchen gegen die Fluggesellschaft nach der EU-Verordnung sind auch Ansprüche gegen den Reiseveranstalter im Falle eines Pauschalreisevertrages denkbar, die sodann anzurechnen wären, da Flugausfälle und Verspätungen in der Regel Reisemängel darstellen.

Bei Rückfragen:  RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)

Ausschluss eines Bieters bei unzulässiger Übermittlung personenbezogener Daten in Drittland

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Nach Ansicht der Vergabekammer Baden-Württemberg (VK BaWü) ist das Angebot eines Bieters aus dem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn dieser keine datenschutzkonforme Leistungserbringung anbietet (Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.07.2022 - 1 VK 23/22 -).

In dem Vergabeverfahren, das der Entscheidung der VK BaWü zugrunde lag, ging es um die Beschaffung einer Software (einschließlich von Server- und Hostingleistungen). In den Vergabeunterlagen (genauer im Lastenheft) legte der Auftraggeber als Anforderungen u. a. fest: „Erfüllung der Anforderungen aus der DS-GVO und dem BDSG“ und „Daten werden ausschließlich in einem EU-EWR Rechenzentrum verarbeitet bei dem kein Subdienstleister/Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig sind“.

Dadurch, dass das Angebot des Bieters von den Vorgaben, das anwendbare Datenschutzrecht einzuhalten, abweiche, habe der Bieter nach Auffassung der VK BaWü i. S. v. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen, was zum Ausschluss führe. Der zum Ausschluss führende Datenschutzverstoß liegt nach Auffassung der VK BaWü darin, dass der auszuschließende Bieter als Unterauftragnehmer für die Erbringung von Server- und Hostingleistungen einen Dienstleister einschalten wollte, bei dem es sich um eine Tochtergesellschaft einer in den USA ansässigen Gesellschaft handelt. Bereits in der Einschaltung dieses Dienstleisters liege eine Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland i. S. d. Art. 44 ff. DS-GVO; ausreichend für eine Übermittlung sei bereits die Einräumung einer Zugriffsmöglichkeit aus dem Drittland, auf einen tatsächlichen Zugriff komme es nicht an. Diese Übermittlung sei unzulässig, da keiner der Erlaubnistatbestände der Art. 44 ff. DS-GVO vorliege. Insbesondere genügten die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Bieter und dem Dienstleister nicht den Anforderungen des Art. 46 DS-GVO, da diese die Möglichkeit für staatliche und private Stellen außerhalb der EU (insb. aus den USA) eröffneten, auf die bei dem Dienstleister gespeicherten Daten zuzugreifen.

Die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA oder sonstige Drittländer stellt ein erhebliches datenschutzrechtliches Risiko dar. Bei einer unzulässigen Übermittlung drohen nicht nur behördliche Bußgelder und Schadensersatzforderungen seitens der Betroffenen, sondern – wie die Entscheidung der VK Baden-Württemberg zeigt – auch erhebliche Konsequenzen bei vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren (bspw. der Ausschluss als Bieter bzw. die Verpflichtung als Auftraggeber zum Wiedereintritt in die Wertung ohne Berücksichtigung des ausgeschlossenen Angebots).

Bei Rückfragen:  RA Patrick Steinhausen, LL.M. (steinhausen@heimes-mueller.de)